BPM für dynamische Geschäftsprozesse: Turbulente Zeiten

Zu diesen turbulenten Zeiten beschleunigt sich ein beachtenswerter Trend: Unternehmen suchen Lösungen für das Management dynamischer Geschäftsprozesse, weil sie häufige Prozessveränderungen erwarten.

 

Diese Entwicklung hin zu dynamischen BPM-Lösungen bildet einen immer gewichtigeren Gegenpol zu herkömmlichen BPM-Projekten, deren Augenmerk eher auf der möglichst genauen Beschreibung und automatisierten Ausführung von Prozessen liegt, denn auf deren Flexibilisierung. Marktbeobachter wie Gartner gehen davon aus, dass eine Mehrheit der Unternehmen und Abteilungen mit BPM-Lösungen ihre Prozesse inzwischen mehrmals jährlich anpassen müssen, viele sogar monatlich oder wöchentlich. Hierbei handelt es sich oft nicht umrevolutionäre Neugestaltungen von Prozessen, sondern um inkrementelle und situative Anpassungsschritte. Das gegenwärtige wirtschaftliche Umfeld mit seinen zahlreichen ökonomischen und regulatorischen Veränderungen dürfte diese Tendenz sicher noch zusätzlich beschleunigen. Es ist davon auszugehen, dass die Fähigkeit, ad-hoc Anpassungen an Prozessen vornehmen zu können, sich für eine große Zahl von Teams und Unternehmen vermehrt zu einer strategischen Kompetenz entwickelt.

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Sture Prozesse und starre Systeme

Dieser Trend kreuzt sich jedoch empfindlich mit den konventionell eingesetzten BPM-Lösungen. Denn diese sind vielfach überaus veränderungsresistent. Der Aufwand für die Anpassung der aufwändig umgesetzten Prozesse ist zu groß, um häufige, kleinere – aber in ihrer Summe sehr gewinnbringende – Anpassungen wirtschaftlich attraktiv zu machen. Die Folge ist, dass der ausgeführte Prozess den tatsächlichen Bedürfnissen und Verhältnissen hinterherhinkt. Zusätzlich sind die Variablen, die sich auf den Pfad auswirken können, so vielfältig, dass in der Festlegung des Prozesses lediglich eine beschränkte Auswahl berücksichtigt wird, um die Komplexität der möglichen Verlaufsvarianten nicht in unübersichtliche Dimensionen wachsen zu lassen. Das verhindert dann, dass Geschäftsprozesse fähig wären, sich beispielsweise dynamisch an spezifische Charakteristiken eines Falles anzupassen. Eine weitere Folge davon ist, dass mehrere Varianten eines Prozesses getrennt gepflegt werden, was unnötige Kosten und unübersichtliche Abhängigkeiten verursacht.  Die Steifheit vieler Prozesse gründet also auf zwei Ursachen: Einerseits wird das Variantenreichtum der vom System zu berücksichtigenden Prozesspfade künstlich begrenzt, um die Implementierung praktisch handhabbar zu halten. Andererseits sind die Prozessmanagementsysteme selbst nicht ohne erheblichen Aufwand anpassbar, da Abänderungen aufwändige und nicht seltenkonfliktbehaftete Abstimmungen zwischen Fachbereich und IT verursachen.

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Neue Ideen braucht das BPM

Dieses Manko veranlasste zum Beispiel einen großen deutschen Automobilhersteller, nach neuen Wegen zu suchen. Denn eine dynamische BPM-Lösung sollte fähig sein, variable Prozesse situationsadäquat und zweckmäßig zu lenken, das heißt nicht strikte entlang eines vordefinierten Pfades, sondern intelligent angepasst an die tatsächlichen Prozessinhalte, -ziele und –prioritäten. Somit ließe sich die Organisation entlasten, die Durchlaufzeit des Prozesses verringern, und dessen Effizienz erhöhen. Und ist nur ein einziges, dafür umso flexibles Prozessschema zu unterhalten, reduziert sich der Pflegeaufwand erheblich. Ist ein Prozess zudem einmal analysiert und umgesetzt, sollte der Fachbereich die Kontrolle über dessen Verlauf und Verbesserung nicht verlieren. Sobald veränderte Gegebenheiten Anpassungen am Prozess vorteilhaft oder nötig machen, sollten diese schnell und mit geringem Aufwand angebracht werden können. Diese direkte Einflussnahme wäre ein wichtiges Instrument für die unmittelbare Steuerung des Prozessverhaltens. Zudem führte das direkte Einbeziehen des Fachbereichs in die Prozessgestaltung zu einem besser angepassten Prozess. Betrachtet man die verfügbaren Lösungsansätze wird bald klar, weshalb diese Ziele damit nicht erreicht werden: Wird ein Prozess als Ablauf von Aktivitäten festgelegt, wie in konventionellen BPM-Systemen üblich, kann Flexibilität nur mittels zusätzlicher Prozessvarianten erzeugt werden. Denn wie die Eisenbahn kann ein solcher Prozess nur auf vorher festgelegten Schienen verlaufen. Je mehr Wege vorgesehen sind, desto komplexer wird jedoch das Netz. Und die Flexibilität der Routenwahlist direkt davon abhängig, wie vollständig die Informationen zum Planungszeitpunkt waren und wie leicht neue Strecken verlegt werden können. Herkömmliche BPM-Systeme eignen sich deshalb besonders für Prozesse, die genau planbar sind und sich nicht oder nur sehr wenig an dynamische Anforderungen anpassen müssen. Was aber, wenn die Kosten-, ZeitundQualitätsziele eines Prozesses plötzlich und unerwartet beeinflusst werden?

Anpassbar und anpassungsfähig: zielorientierte Prozesse

Der innovative Ansatz mittels sogenannter „zielorientierter Prozesse“, wie er vom Software-Anbieter Whitestein Technologies erfolgreich angewendet wird, bietet hier neue Möglichkeiten. Ein zielorientierte Prozess wird nicht als ein expliziter Ablauf von Aktivitäten beschrieben, sondern an Hand der Ziele, welche er zu erreichen hat. Diese ändern sich in der Regel viel seltener als die konkreten Vorgehensweisen und bieten daher ein stabiles Gerüst für einen veränderlichen Prozess. Den Prozesszielen können verschiedene Vorgehensweisen (Pläne) zugewiesen werden, über welche dieses erreichbar sind. Die Komplexität eines solchen Prozessschemas ist im Vergleich mit traditionellen Methoden wesentlich geringer, da die Ebene der (strategischen) Zwecke und (taktischen) Mittel nicht miteinander vermischt sind (siehe Bild 1). Die zielorientierte Modellierung kopiert das bewährte Vorgehen im Management, zuerst die Ziele und erst dann die möglichen Vorgehensweisen zu definieren. In der Lösung von Whitestein Technologies führt eine intelligente Laufzeitkomponente diese zielorientierten Prozessmodelle direkt (das heißt ohne jeglichen weiteren Entwicklungsschritt) aus. Die Prozess-Engine arbeitet die relevanten Prozessziele ab und wählt dem Kontext entsprechend die jeweils optimalen Vorgehensweisen. Dies ermöglicht eine hochgradig agile, situationsadäquate Prozessnavigation anstelle der herkömmlichen „festverdrahteten“ Prozessausführung. Es entfällt so auch die sonst übliche Übersetzung („Round-tripping“) in eine ausführbare Sprache (wie zum Beispiel BPEL) und dadurch die Gefahr von Inkonsistenzen zwischen Modell und ausgeführtem Prozess. Da bei der Ausführung zielorientierter Prozesse erst zum letztmöglichen Zeitpunkt vom System entschieden wird, welcher Plan das angestrebte Prozessziel optimal erfüllt, sind Änderungen am Ziel-Plan-Netz zu jeder Zeit möglich und sofort wirksam. Zieht man das Beispiel des Verkehrsmittels nochmals herbei, gleicht ein zielorientiertes Prozesssystem der Fahrt in einem Auto mit Navigationsgerät. Dieses wählt je nach Position und Präferenzen die beste Route, bezieht laufend Verkehrsinformationenmit ein und berechnet den Weg neu, sobald eine Anpassung nötig oder vorteilhaft wird. In Bild 2 ist an Hand eines Engineering ChangeManagement Prozesses der Automobilbranche dargestellt, wie für Prozessziele beliebige alternative Pläne festgelegt werden können, um diese auf verschiedenen Wegen zu erreichen (hier exemplarisch für zwei Ziele dargestellt). So könnte für die Erreichung des Prozessziels „Cost_Assessed“ je eine Methode für eine Kostenkalkulation oder eine Kostenschätzung bereitgestellt werden. Stellte sich während der Prozessausführung heraus, dass eine Zeitüberschreitung vorliegt, würde der Prozess dem Weg der (schnelleren) Schätzung folgen.

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Vorteile durch neue Möglichkeiten

Die Vorteile einer solchen Lösung für einen dynamischen Prozess sind offensichtlich und haben sich in der Praxis bewährt. Zielorientierte Prozesse trennen die Prozessziele klar von den Prozessmitteln. Es ist deshalb einfach, einzelne Ziele und Pläne zu ändern oder neue zu definieren. Mit einem konventionellen System verursachen Änderungen hingegen größere, komplexe und oftmals nicht lohnende Anpassungsprojekte, da die Prozesswege fest „verdrahtet“ sind. Diese „Verdrahtung“ ist zudem mit Technologien realisiert, die wiederum nur IT-Spezialisten zugänglich sind. Darum muss der Fachbereich die Kontrolle über den Verlauf und die allfällige Verbesserung des Systems abgeben und für Anpassungen auf Ressourcen der IT zurückgreifen. Da mit einem zielorientierten Prozesssystemdie optimale Vorgehensweise erst zum letztmöglichen Zeitpunkt selbständig ausgewählt wird, sind Anpassungen an Zielen oder Pläne des Prozesses sofort wirksam. Sie können auch von geschulten Mitgliedern des Fachbereichs selbst vorgenommen werden, da keine komplexe „Verdrahtung“ zu beachten ist. Wenn IT- Spezialisten von Nöten sind, um beispielsweise Daten aus einem anderen System zu integrieren, arbeitet die Informatik innerhalb des von der Fachabteilung definierten Prozessplans, welche diesen somit auch immer wieder versteht. Dies bringt erhebliche Vorteile für die Prozessüberwachung und -evolution mit sich und ist hilfreich für die projektinterne Abstimmung.

Fazit

Was einleuchtend klingt, ist mit konventioneller Software-Technologie nicht praktikabel. Mit einer intelligenten Prozessmanagement-Lösung, die auf der Anwendung von Innovationen aus dem Bereich der Agententechnologie und des Autonomic Computing beruht, ist es dem Schweizer Anbieter Whitestein Technologies jedoch gelungen, diese Vision eines dynamischen BPM, das situativ angepasste Prozesse flexibel ausführt und selbst offen gegenüber Anpassungen ist, zu realisieren.

Michael Felber

Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe Mai 2009 des it management.

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