E-Learning Controlling mit der E-Learning Scorecard

Axel Lindhorst, TTS, über eine Methode für E-Learning Projektleiter eines Unternehmens oder einer Organisation, um eine Projektsteuerung einzuführen.

 

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Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein E-Learning-Projekt aus Controllingsicht zu bewerten. Die bekannteste Methode ist sicherlich der Return on Investment (ROI), welche die Kosten-Nutzen-Aspekte beleuchtet und eine einfache Gegenrechnung aufstellt: Welche Einsparungen im Trainingsbereich (Reisekosten, Trainer, Zeit) stehen dem Invest in einem E-Learning-Projekt gegenüber?

Daneben gibt es noch den Return on Expectation (ROE), der den Grad der Erwartungserfüllung der am Projekt Beteiligten misst. Zu den Projektbeteiligten gehören neben den Lernern auch die Führungskräfte. Hier wird betrachtet, welchen Nutzen die Beteiligten vom Projekt haben und wie deren Erwartungen mit den Inhalten und Ergebnissen des Projekts abgeglichen werden können.

Darüber hinaus ist die E-Learning Scorecard eine weitere Methode, auf die im Folgenden näher eingegangen wird.

Was ist eine E-Learning Scorecard?
 

Die E-Learning Scorecard basiert auf der Balanced Scorecard (BSC), die Anfang der 1990er Jahre von den beiden amerikanischen Ökonomen Robert S. Kaplan und David P. Norton an der Harvard University erarbeitet wurde. Die BSC ist ein Konzept zur Messung, Dokumentation und Steuerung der Aktivitäten eines Unternehmens oder einer Organisation im Hinblick auf Vision und Strategie und hat im Bereich des kennzahlenbasierten Performance Managements einigen Wirbel ausgelöst. Der Vorteil liegt in der ganzheitlichen Betrachtung von Kosten- und Nutzenfaktoren jenseits von rein finanziellen Aspekten sowie der Orientierung an den Unternehmensstrategien und –zielen. Alle Ziele und Kennziffern, die für die BSC identifiziert werden, können auf die gesamte Unternehmensstrategie ausgerichtet werden. Rund 40 Prozent aller deutschen Unternehmen arbeiten – zumindest teilweise – mit solchen Scorecards.

Die vier Perspektiven der E-Learning Scorecard
 

Bei der Erstellung einer Scorecard wählt man vier Bereiche aus, die bewertet und analysiert werden sollen. Diese sind nicht fix, sondern frei wählbar. Mögliche und typische Bereiche sind 

  • Finanzen: Kosten-Nutzen-Analyse
  • Stakeholder: Projektbeteiligte – auch Führungskräfte, Lerner im Unternehmen/interne Kunden
  • Prozesse: Interne Geschäftsprozesse – was ändert sich durch die eingeführten Maßnahmen?
  • Innovation und Wissen: Was tut sich im Wissensmanagement, wie geht man mit innovativen Methoden zur Wissensvermittlung um, um die Prozesse zu verbessern, die Kunden zufriedenzustellen und den Profit zu erhöhen?

Alle vier Aspekte gehören zusammen, denn wenn ein Unternehmen innovativer wird, verbessern sich auch die Prozesse, die Kunden werden besser erreicht und der Gewinn gesteigert.

Die Vorteile der E-Learning Scorecard
 

Eine Scorecard verfügt über mannigfaltige Vorteile. Sie ermöglicht zum einen eine flexible Schwerpunktsetzung nach den strategischen Erfordernissen einer Abteilung oder eines Projekts und begründet zum anderen in den vier gesteuerten Bereichen die durchgeführten Maßnahmen innerhalb der Organisation. Zudem ist sie auch für kleinere Projekte umsetzbar, da sie auf eine Projekt Scorecard heruntergebrochen werden kann. Der größte Vorteil liegt sicherlich darin, ein Mittel zur Kommunikation der Methode in der Organisation zu haben. E-Learning-Projekte stehen oftmals noch unter großem Rechtfertigungsdruck seitens der Führungsebene: Wo liegt der Benefit? Warum soll E-Learning durchgeführt werden? Mit der Scorecard kann der E-Learning-Verantwortliche Zahlen und Kennziffern liefern und so den Nutzen der Maßnahme nachweisen.

Welche Ziele und Kennziffern könnten das in den einzelnen Bereichen sein?
 
  1. Finanzen: Die Ziele liegen hier beim wirtschaftlichen Handeln, bei der Kostenreduzierung durch den E-Learning Einsatz und bei der Effizienzsteigerung. Kennziffern sind die Kosten pro Anwender, für die Erstellung von E-Learning, für E-Learning im Vergleich zu anderen Methoden und die Infrastrukturkosten. Was müsste ausgegeben werden, wenn kein E-Learning durchgeführt werden würde, im Vergleich zu den Ausgaben für das E-Learning.
     
  2. Stakeholder: Die Ziele der Lerner und der beteiligten Führungskräfte sind klar definiert. Im Unternehmen soll die Akzeptanz für E-Learning erhöht werden bei gleichzeitiger Zufriedenheit mit dem E-Learning-Angebot. Zudem möchte man die Homogenität des Teilnehmerwissens verbessern, so dass zum Beispiel im Rahmen eines Software-Rollouts bei allen Beteiligten von einem gleichen Wissensstand ausgegangen werden kann. Die gewünschten Kennzahlen können die Auswertungen von Nutzungsraten über ein Learning Management System (wie viele haben das E-Learning Angebot überhaupt genutzt?) liefern, oder Evaluationsergebnisse, die man mit Hilfe von Befragungsbögen oder Interviews erhalten hat, sowie Testergebnisse bei Blended Learning Maßnahmen. 
     
  3. Prozesse: Erhöhung der Produktivität, Förderung der Qualität der Prozessergebnisse und die Optimierung der technischen Infrastruktur gehören hier zu den Zielen. Kennzahlen können unter anderem die Auslastung der Hotline sein, die Abfragen zur Servicequalität sowie die Performance der Medien und die Verfügbarkeit der E-Learning Angebote. Steigen die Anfragen z.B. nach einer Softwareeinführung an die Hotline signifikant an, kann diesem Problem mit einer E-Learning Maßnahme entgegengewirkt werden. Sinken die Anfragen danach, ist dies ein Zeichen dafür, dass die Maßnahmen gewirkt haben.
     
  4. Innovation und Wissen: Der E-Learning Verantwortliche hat zum Ziel, E-Learning-Maßnahmen in der Organisation zu etablieren und neue Wege in der Wissensvermittlung zu finden. Dieser Bereich ist die wichtigste Ressource im Dienstleistungsbereich und im Wissensmanagement. Hier kann aufgezeigt werden, wie Unternehmen von formalem, gepushten Wissen zu informellem Wissen, welches sich die Mitarbeiter am Arbeitsplatz suchen können, gelangen. Zu den Kennzahlen gehören hier die Anzahl von E-Learning-Angeboten im Vergleich zum Gesamtschulungsangebot, die Zugriffe auf E-Learning Maßnahmen, da diese die Akzeptanz und das Innovationspotenzial der Mitarbeiter aufzeigen, der Anteil von E-Learning bei der Wissensvermittlung und die Anzahl der umgesetzten Ideen zur Wissensvermittlung, beispielsweise der Einsatz von Social Learning, Blogs, Wikis etc.
Wie sieht eine E-Learning Scorecard eigentlich aus?
 

TTS Scorecard 1 200Bei dieser Scorecard wurde „Technik optimieren“ als Ziel ausgegeben, gemessen an der Kennzahl der Abbruchrate (also der Anzahl der Nutzer, die nach einer bestimmten Zeit das E-Learning abbrechen). Diese Kennzahl soll unter 5% liegen, beträgt aber momentan 15%. Hier ist nun die Aufgabe, herauszufinden, warum das so ist und durch welche Maßnahmen der Wert verbessert werden kann. Ein Beispiel für eine Maßnahme könnte eine höhere Bandbreite im Firmennetz sein, um die Performance der E-Learning-Kurse zu verbessern.

TTS Scorecard 2 200Bei dieser Scorecard aus Stakeholderperspektive ist die Lernqualität das Ziel, die Kennzahl erhält man durch die Bewertung, welche die Lerner, beispielsweise in Form von Evaluationsbögen (Happy Sheets), abgeben. Die Bewertung des E-Learnings soll im Durchschnitt besser als 2 sein, liegt aber momentan bei 2,3. Hier muss nun wieder überlegt werden, durch welche Maßnahme der Wert verbessert werden kann. Eine Möglichkeit wäre eine sorgfältigere Auswahl des Angebots.

Rahmenbedingungen
 

Es gibt gewisse Rahmenbedingungen für eine E-Learning Scorecard, die man einhalten sollte. Wichtig ist, nicht mehr als zehn bis 15 Kennzahlen insgesamt zu definieren. Um sich nicht zu verzetteln, ist eine Konzentration auf die Ziele, die identifiziert wurden, die einem wichtig sind und die mit der Unternehmensstrategie abgestimmt sind, unerlässlich. Zudem sollte man sich darüber bewusst sein, dass eine Scorecard eine gewisse Einführungszeit bis zur Reife benötigt, da man erst Erhebungszyklen abwarten muss, um Kennzahlen zu erhalten. Generell sind drei bis sechs Monate typische Zyklen für eine Scorecard. Bei einzelnen Projekt-Scorecards können die Zyklen auch kürzer sein.

Natürlich birgt eine Scorecard auch Risiken, zum Beispiel wenn zu viele und zu komplexe Ziele gesetzt werden. Hier gilt wieder: Fokussierung auf die Kernziele. Auch dürfen keine unrealistischen Zielsetzungen und Verantwortlichkeiten definiert werden. Die definierten Kennzahlen müssen entsprechend den Zyklen realistisch und erreichbar sein. 

Ein weiteres Risiko liegt in der bewussten Manipulation. Wenn durch den Verantwortlichen Kennzahlen definiert werden, die erreichbar und erfüllbar sind, und diese noch mit der persönlichen Zielerreichung im Unternehmen verknüpft werden, besteht die Gefahr der Manipulation aus eigennützigen Motiven. Diesem Risiko kann man durch eine breite Streuung der Ziele und Perspektiven entgegen wirken.

Generell ist die Scorecard aber ein möglicher Ansatz zur Steuerung und zum Controlling von E-Learning Projekten, der dem Verantwortlichen stichhaltige Argumente für diese Maßnahmen gegenüber den Führungskräften bieten kann.

Axel Lindhorst, Project Manager und Consultant bei TTS GmbH

www.tt-s.com

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