Deep Learning in der Industrie 4.0

Lernende Entscheidungssoftware für die Fabrik der Zukunft

Durch Konfigurieren Produkte aus vordefinierten Optionen zu bestellen, ist in Zeiten des Online-Shoppings Alltag. Diese Produkte dann wie individuelle Einzelanfertigungen durch häufige Wechsel der Optionen wirken zu lassen, ist dagegen eine Herausforderung an die Flexibilität der Gestaltung der zugehörigen Produktionsprozesse. Industrie-4.0 kann als Prinzip hierfür eine Lösung werden.

Viele der dort vorliegenden Überlegungen sind gerade in der Automobilindustrie selbst im Zusammenhang mit dem Prinzip der Fließfertigung durch intelligente IT-Steuerung der Prozesse mittels Sequenzierungssoftware bereits umgesetzt. Denn schon seit Langem wird den Kunden eine große Variantenvielfalt geboten – kaum ein Auto gleicht mehr dem anderen. Die Folge ist eine hohe Komplexität der Produktionsplanung und -steuerung. Für deren Beherrschung hat sich der Einsatz von sogenannten Decision-Supportsystemen bewährt. Aufbauend auf z. B. der Erweiterten Fuzzy-Logik berechnen sie optimale Sequenzen von Produktionsreihenfolgen. Diese Systeme lassen sich im Industrie-4.0-Szenario branchenunabhängig für die Herstellung von Kleinserien bzw. kleinen Stückzahlen übertragen. Dabei arbeiten die Verantwortlichen bereits an der Weiterentwicklung hin zu Systemen, die aus einer Kombination von Entscheidungssoftware mit künstlichen neuronalen Netzen das Lernen ihrer eigenen Parameter-Einstellungen im multikriteriellen Umfeld noch konsistenter ermöglichen.

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KPI-orientierte Entscheidungssoftware in der Automobilindustrie

Eine individualisierte Serienfertigung mit der Kostenstruktur der Großserienfertigung ist eine Vision im Kontext von Industrie 4.0, deren Realisierung Unternehmen signifikante Wettbewerbsvorteile verschaffen wird. Bei der Umsetzung dieses Ziels lohnt ein Blick in die Automobilbranche, wo spezielle Tools bereits eine Beherrschung der komplexen Planungs- und Steuerungszusammenhänge unterstützen und die Arbeit eines Planers enorm erleichtern. Hier blicken Spezialisten wie etwa der PSI FLS Fuzzy Logik & Neuro Systeme für eine maximale Ausnutzung des Optimierungspotenzials bereits ein Stück weiter und arbeiten an einer Kombination der auf Erweiterter Fuzzy-Logik beruhenden KPI-orientierten Entscheidungslogik mit künstlichen neuronalen Netzen um mittels des Lernens von Systemeinstellungen die Potenziale der Entscheidungssoftware noch effektiver auszuschöpfen.

Der Hintergrund: Besteht über eine Planungsaufgabe bereits Konsens bezüglich der Prozessziele und der KPIs zur Bewertung der Ergebnisse, so eröffnet die Wahl einer passenden Parametrierung des Systems eine eigene Entscheidungsdimension. Denn in den meisten Fällen besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Steuerungsgrößen des Systems und den realisierbaren Systemergebnissen. Stattdessen greifen hier oftmals implizite Abhängigkeiten zwischen prozessbedingten Restriktionen und systembedingten Verarbeitungsstrategien. Die Wahl der passenden Parametrierung kann zudem entscheidend von den jeweiligen Eingabegrößen abhängen. Dazu können etwa saisonale Effekte zählen oder sich wandelnde Auftragsstrukturen in der Produktion. Diese erfordern wiederum Strategieanpassungen bei der Umsetzung in der Fertigungssteuerung. Ist die Parametrierung ungünstig gewählt, bleibt schnell großes Potenzial liegen. Genau hier setzen die Unterstützungsmöglichkeiten für lernende Systeme in der Produktionsplanung an.

Herausforderungen Entscheidungskomplexität

Das künftige Lösungsprinzip soll effizient Systemkonfigurationen erlernen und darauf aufbauend Empfehlungen ausgeben. Ein Beispiel soll die Notwendigkeit dieser Erweiterung verdeutlichen und setzt vereinfachend voraus, dass sich die zu erreichenden Zielgrößen direkt über entsprechende Prioritätenregler steuern lassen und das zu untersuchende System konsistente Ergebnisse liefert: Ein Kunde plant den Kauf eines Autos und beabsichtigt seiner persönlichen Neigung folgend ein Ranking von Entscheidungsalternativen an Autotypen so zu erstellen, dass für die Rangfolge möglichst viele Kriterien erfüllt sind. Als Autotypen stehen Kleinwagen, Coupé, Cabrio, Mittelklasse-Limousine, Oberklasse-Limousine, Großraum-Limousine, Kombi, Geländewagen und Sportwagen zur Auswahl. Die Kriterien, die bei seiner Entscheidung eine Rolle spielen sollen, sind „günstiger Preis“, „hohe Leistung“, „günstiger Verbrauch“, „hohe Familienfreundlichkeit“, „hohes Prestige“ und „geringe Unterhaltskosten“ (vgl. Bild 1).

Entscheidungsfindung multikriteriell und konsistent mit Deep Qualicision

Bild 1: Entscheidungsfindung multikriteriell und konsistent mit Deep Qualicision (Quelle: PSI FLS Fuzzy Logik & Neuro Systeme GmbH)

Bildet ein Kaufentscheider eine Rangfolge der Autotypen, so sind mit seinem Ranking bestimmte Kriterien als Einzelentscheidungsziele, im übertragenen Sinne Prozess-KPIs, verbunden. Diese sind also bewusst oder unbewusst durch die Rangfolge impliziert. Ein Ergebnis, das beispielsweise den Kleinwagen und den Kombi in der Abfolge an den ersten Rängen aufreiht, ist dieser Logik folgend als eher pro „günstigen Preis“, „wenig Verbrauch“ und gegebenenfalls leicht „pro Familienfreundlichkeit“ einzustufen. Rankings, die den Sportwagen und das Cabrio voranstellen, sprechen eher für „hohe Leistung“ und möglicherweise der höheren Gewichtung von „Prestige“ bei gleichzeitiger Vernachlässigung des Kriteriums „günstiger Preis“. Hier stellt sich die Frage, wie ein System zu konfigurieren wäre, welches die Einschätzung des Käufers widerspiegelt und ggf. auch auf eine veränderte Situation, z. B. das Auftreten neuer Modellvarianten, übertragbar wäre.

Die Zusammenhänge zwischen Autotypen als Kaufentscheidungsalternativen und den einzelnen Kriterien lassen sich für jedes einzelne Kriterium relativ einfach finden. Weitaus komplexer ist jedoch das Zusammenwirken der Kriterien in Gruppen, im Sinne einer multikriteriellen Optimierung. Allein bei den hier vorliegenden 9 Entscheidungsalternativen sind immerhin 9! gleich 362.880 Möglichkeiten vorhanden, von denen viele inkonsistenten Rankings entsprechen können. Auf der anderen Seite ergeben sich bei den Prioritäten zu 6 Kriterien 6! gleich 720 Einstellungen, wenn eine gleichmäßig abnehmende Rangfolge der Kriterien angenommen wird. Dabei ist das kombinatorische Maximum selbst bei diesem einfachen Beispiel noch nicht erreicht. Denn auch Gleichgewichtungen von Kriterien sind denkbar, wobei diese wiederum unterschiedlich stark sein können. Kommt zum Beispiel das vollständige Ausschalten von Kriterien bei den Rangfolgen der Einstellungen hinzu, so ergeben sich bereits 1.956 Möglichkeiten.

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Ausblick lernende Entscheidungssoftware

Als Entscheidungs-Engine eingesetzte Tools, wie etwa die auf Erweiterter Fuzzy-Logik basierende Lösung Qualicision, balanciert diese Zielkonflikte aus. Im vorliegenden Beispiel berechnet Qualicision ca. 300 verschiedene Rankings. Im Ergebnis sind sogar gleiche Rankings mit unterschiedlichen Prioritäten erzielbar, was das Vorhandensein von Ziel-Gleichläufigkeiten im Zielsystem belegt. Ein optimales Ranking setzt folglich eine hohe Entscheidungsintelligenz voraus. Entscheidungssoftware kommt also schon heute zum Einsatz, um aus Einzelrankings effizient multikriterielle Rankings konsistent zu den Ziel-Gleichläufigkeiten und Zielkonflikten zu bestimmen. Mittels einer Verknüpfung mit künstlichen neuronalen Netzen entsteht die Möglichkeit, die Prioritäten der Kriterien so zu trainieren, dass zu beliebigen Rangfolgen konsistente Einstellungen der Prioritäten gelernt und auf vergleichbare neue Situationen konsistent angewendet werden. Auf diese Weise lässt sich der tiefere Zusammenhang zwischen System-Outputs und Systemkonfigurationen automatisch lernen. In Software gegossen entsteht durch die Verbindung mit neuronalen Netzen eine Technologie, welche die Lernfähigkeit anhand von Entscheidungen noch effizienter gestaltet.

Das Anwendungsspektrum ist dabei weit gefächert: Perspektivisch können alle auf der Erweiterten Fuzzy-Logik beruhenden Optimierungslösungen für Geschäftsprozesse im Umfeld Automation, Produktion, Logistik und Prozessoptimierung mittels der Kombination von Methoden der Künstlichen Intelligenz ihre eigene Parametrierung automatisch erlernen. Gleichzeitig deuten erste Ergebnisse darauf hin, dass sich dieses Prinzip auch für die optimale Konfiguration anderer Systeme übertragen lässt.

Fazit

Eine zunehmende Berücksichtigung der Kundenwünsche führt zu einer zunehmenden Individualisierung von Produkten. Dies stellt branchenübergreifend die Produktionsplaner und Dispatcher vor große Herausforderungen. Technologien, welche Unternehmen bei der Bewältigung der Aufgaben unterstützen, stehen bereits zur Verfügung und haben sich in der Praxis bewährt. Intelligente Entscheidungsmaschinen sorgen für eine optimale Konfiguration von Produktionssystemen, die – kombiniert mit Methoden des Deep Learning bzw. der Künstlichen Intelligenz – zukünftig durch automatisches Lernen die Potenziale maximal ausschöpfen helfen.

Dr. Rudolf Felix, Geschäftsführer, PSI FLS Fuzzy Logik & Neuro Systeme GmbH

www.fuzzy.de
 

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