2017 – das Jahr der Virtual Reality?

VR-BrilleDas Jahr 2016 hat bereits das riesige Potenzial von immersiven Technologien wie Virtual und Augmented Reality (VR und AR) aufgezeigt. Aber „Potenzial“ ist hier das Schlüsselwort. 

VR ist sicherlich in der Lage, die Art und Weise wie wir leben, arbeiten und die Welt um uns herum wahrnehmen, maßgeblich zu verändern – 2017 und noch darüber hinaus. Aber Sicherheitsbedrohungen und der Mangel an ausreichender Bandbreite werden die größten Hürden für eine der aufregendsten und am meisten diskutierten Innovationen sein.

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VR wird im Arbeitsumfeld Einzug halten

Auch wenn der Hype vielleicht etwas anderes vermuten lässt, wird VR 2017 noch nicht massentauglich werden. Dennoch wird seine Industrialisierung an Fahrt gewinnen. VR wird bereits als Schulungswerkzeug im Bereich Medizin eingesetzt und nächstes Jahr wird es noch mehr innovative VR-gestützte medizinische Anwendungen geben. Dies wird den Weg ebnen für begleitende Fern- und Eigendiagnosen von Patienten, die damit nicht mehr unbedingt zu ihrem Arzt fahren müssen, wenn sie sich beispielsweise nicht wohl fühlen. Genauso wird die VR-gestützte Diagnose bei industriellen Wartungsarbeiten bedeuten, dass der Experte nicht mehr länger physisch anwesend sein muss, um Fehler in der Produktionsstätte zu identifizieren und zu beheben. Darüber wird schon seit Jahren viel gesprochen, aber endlich sind sowohl eine hohe Qualität der Kameratechnologie als auch Netzwerke mit extrem großer Bandbreitenkapazität verfügbar, um so für ein zweites Paar Augen für jedes Problem, zu jeder Zeit und an jedem Ort zu sorgen.

Die schlagkräftige Kombination aus VR, Robotics und Machine Learning wird viele weitere Sektoren verändern. Es gibt eine Reihe von Tätigkeiten, wie beispielsweise das Sortieren der Lieferungen in einem Lager, die theoretisch bereits von Robotern ausgeübt werden könnten. Diese Aufgaben sind repetitiver Natur und konnten bisher nicht von Robotern von Anfang bis Ende übernommen werden, weil die notwendige Präzision in der Ablage verschiedenster Artikel nicht ausreichte. Jetzt sind wir in der Lage, Robotern aus der Ferne und virtuell eine Reihe von Aufgaben „beizubringen“, was die Einführung von VR in vielen verschiedenen Branchen weiter vorantreiben wird.

Der Erfolg von VR in der Filmindustrie liegt in der Anpassbarkeit für alle

Ob VR in der Welt der Konsumenten zum Hype wird, hängt davon ab, ob die Branche in der Lage ist, Menschen Erfahrungen zu bieten, die man mit Geld nicht kaufen kann. Ansonsten laufen diese Anwendungen Gefahr – ähnlich wie 3D-Fernsehen –, von der Bildfläche zu verschwinden. VR ist eine Technologie mit unglaublichem Potential – die Hauptfrage bleibt allerdings, braucht man VR tatsächlich? Es ist genauso wie mit Netflix oder Amazon Instant Video – wird man etwas vermissen ohne VR?

Doch in der Unterhaltungs-Branche wird fälschlicherweise davon ausgegangen, dass eine Ende-zu-Ende-VR-Erfahrung ermöglicht werden muss, um die Menschen von der Technologie zu überzeugen. Vielmehr besteht das größte Potenzial darin, Filmreihen oder Serien wie Star Trek oder James Bond durch VR-Elemente zu ergänzen und dadurch zu bereichern. Während des Abspanns könnten Kinozuschauer eine virtuelle Tour des Filmsets unternehmen, beispielsweise mitten in eine epische Schlachtszene eintauchen und so über VR Teil des Geschehens werden. Film-Franchises mit treuen Fans, die das Internet nach Hintergrundinformationen, Parodien oder kleinen Erinnerungsstücken durchforsten, wären eine ideale Zielgruppe für VR-gestützte Erfahrungen. Dies könnte auch ein Anreiz sein, wieder mehr ins Kino zu gehen, anstatt die Inhalte zuhause zu streamen, was wiederum einen Mehrwert für Kinobetreiber und Produzenten der Inhalte darstellt. Es ist daher keine zu gewagte Annahme, dass Hollywood den ersten VR-Film in Spielfilmlänge innerhalb der nächsten drei Jahre produzieren wird.

VR könnte auch dabei helfen, Sportveranstaltungen auf neue Art und Weise auf die große Leinwand zu bringen. Bisher sind alle Versuche, große Sport-Events im Kino zu zeigen, gescheitert, weil das Erlebnis den Zuschauern – abgesehen von der Größe der Leinwand – keinen großen Mehrwert gebracht hat. VR kann genau hier ansetzen, denn es nimmt die Sportfans direkt mit ins Geschehen auf das Spielfeld oder die Rennstrecke. Der Zuschauer kann so erleben, was es für ein Gefühl wäre, das entscheidende Tor selbst zu schießen oder auf dem Fahrersitz ihres Lieblings-F1-Teams in der letzten Runde vor dem Ziel Platz zu nehmen.

Die Technologien – extrem schnelle Konnektivität über Glasfaser, quasi unbegrenzter Speicherplatz und Rechenleistung in der Cloud sowie fortschrittliche VR-Headsets – gibt es alle schon. Dennoch geht es bei VR um eine “Massen-Individualisierung“: Die Menschen müssen in der Lage sein, genau den gleichen herausragenden Inhalt von ihrer ganz eigenen Perspektive aus zu erleben. Einerseits liegt der Erfolg von VR in der Fähigkeit der Branche, genug faszinierende, interaktive Inhalte zu produzieren, um diese neuen, hochpersonalisierten Erfahrungen möglich zu machen. Andererseits hängt die Annahme der VR-Technologie in der breiten Masse davon ab, ob die Inhalte ohne Unterbrechungen als nahtloses VR-Erlebnis bereitgestellt werden können. Eine Cyber-Attacke oder zu wenig Bandbreite können die Nutzererfahrung von VR-Anwendungen schnell zunichtemachen.

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Noch zahlreiche Hürden

VR-Anwendungen und -Geräte sehen sich mit ähnlichen Sicherheitsrisiken konfrontiert wie jede andere vernetzte Technologie. Solange es möglich ist, ein Smartphone oder einen Server zu attackieren, ist es theoretisch auch möglich, eine VR-Erfahrung nachhaltig zu stören. Dies kann von der Zerstörung der Simulation durch eine gezielte Überschwemmung an Informationen, ähnlich wie bei einer DDoS-Attacke, über die Übernahme der Kontrolle über die Simulation und bis zur Veränderung der virtuellen Welt führen, in der sich der Nutzer gerade befindet.

Immersive VR-Erfahrungen haben einen größeren körperlichen und mentalen Effekt, wenn sie gestört werden, als andere Formen des Medienkonsums, wie beispielsweise das Ansehen eines Standardvideos. Die Qualität einer Online-VR-Erfahrung hängt demnach auch von einer schnellen Verbindung mit niedrigen Latenzzeiten ab. Während einer Simulation die Verbindung zu verlieren und die Welt um einen herum verschwimmen und zerbrechen zu sehen, kann eine schwindelerregende und Übelkeit hervorrufende Erfahrung sein. Eine wichtige Komponente für den Erhalts eines hohen Konnektivitätsniveaus, das für ein immersives Erlebnis benötig wird, ist daher die Netzwerksicherheit. Diese muss das Eindringen von gefährlichen Bedrohungen verhindern. Darüber hinaus hat VR das Potenzial, verschiedene Ebenen zur eigenen Online-Identität hinzuzufügen – eine Ebene, die dreidimensional ist und sich bewegt. Deshalb muss die eigene virtuelle Identität genauso gesichert werden wie alle anderen Daten im Netz, um sich gegen Identitätsdiebstahl und -missbrauch zu schützen.

Mit der steigenden Anzahl an VR-Anwendungen werden auch neue Endgeräte und Plattformen entstehen, die neue Sicherheitsanforderungen und potenzielle Schwachstellen mit sich bringen. Jedes mit dem Netzwerk verbundene Gerät ist eine mögliche Schwachstelle, die genutzt werden kann, um das Netzwerk selbst und alle damit verbundenen Geräte zu infiltrieren. Cyber-Sicherheitslösungen müssen sich also weiterentwickeln, damit sie neue Geräte wie Oculus Rift, Google Glass, Samsung Gear und andere VR-Headsets sichern können, um VR-Anwendungen zu schützen.

Mangel an 5G könnte VR-Blase zum Platzen bringen

Da immer mehr Inhalte durch die Sport-, TV- und Filmindustrie für VR-Headsets produziert werden, wird der VR-Traffic bis 2020 voraussichtlich um das 60-Fache ansteigen. Einer der Gründe für dieses immense Wachstum ist, dass VR fünfmal so viel Bandbreite benötigt als HDTV, um ein immersives Zuschauererlebnis zu kreieren. Und obwohl VR geradezu prädestiniert für die mobile Nutzung ist, ist die mobile Konnektivität noch nicht ausreichend, um diese immersiven Erfahrungen zu unterstützen. In vielen Teilen der Welt, einschließlich Europa, werden 5G-Netzwerke nicht vor 2020 aktiviert sein. Organisationen, die VR-Anwendungen erstellen, werden es daher schwer haben, diese Erfahrungen „an den Mann zu bringen“.

Der Mangel an schneller und überall verfügbarer Breitbandkonnektivität hat zum Platzen der Dotcom-Blase in den frühen 200ern beigetragen. Damals konnten ambitionierte und innovative Internetfirmen die Verbraucher nicht erreichen, die in langsamen Einwahlverbindungen gefangen waren. Genau so könnten langsame mobile Netzwerke die VR-Blase zum Platzen bringen.

Damit VR sein enormes Potenzial entfalten kann, muss es gemeinsame Anstrengungen der Medien-, Unterhaltungs-, Technologie- und Telekommunikationsbranche geben. Nur so können Menschen und Unternehmen das Meiste aus den Möglichkeiten machen, die diese neuen Anwendungen bringen – und so die Art und Weise verändern, wie wir leben, arbeiten und die Welt um uns herum wahrnehmen.

David Eden
David Eden, Future Technologist and Product Innovator bei Tata Communications

 

   

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