9 Fallstricke bei der Mobile Workforce Management-Einführung

GefahrDie Auswahl und Einführung von Mobile Workforce Management-Lösungen ist ein komplexer und oft auch längerer Prozess, bei dem es gilt, Beteiligte und Anforderungen aus unterschiedlichsten Abteilungen unter einen Hut zu bringen. 

Kennen Unternehmen die typischen Fallstricke eines solchen Projekts vorab, können sie viel Zeit, Nerven und Ressourcen sparen.

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1. Lösungs- statt Anforderungsbeschreibung

Bereits vor der Entscheidung für den Anbieter einer Mobile Workforce Management-Lösung werden die Weichen für den Projekterfolg gestellt. Vielen Unternehmen fällt es allerdings schwer, ihre Anforderungen zu definieren und nicht in eine Lösungsbeschreibung zu verfallen. Statt zum Beispiel anzufordern, dass die Arbeitszeiten am Auftrag berichtet werden sollen, beschreiben sie die Benutzeroberfläche. Sinnvoller wäre es, die Prozesse beziehungsweise gewünschten Ergebnisse und die daraus entstehenden Anforderungen zu skizzieren, damit der Lieferant seine Best Practises einbringen kann.

2. Silodenken bei Anforderungen

Die Vorstellungen bezüglich der Funktionalität einer Mobile Workforce Management-Lösung klaffen oft auseinander, je nachdem welche Abteilung man befragt. Die IT-Abteilung hätte gerne ein System, das sich möglichst einfach und schnell in die bestehende IT-Infrastruktur und besonders in die führenden Systeme einfügen lässt. Zudem soll es natürlich noch hochperformant, sicher, und skalierbar sein. Die Fachabteilung möchte eine Lösung, die alle Anwendungsfälle abbildet und einfach zu benutzen ist. Der Einkauf wiederum sucht nach einer Lösung, die das beste Preis-Leistungsverhältnis bietet. Alle Wunschvorstellungen lassen sich selten unter einen Hut bringen. Deswegen ist es essentiell, dass sich alle Beteiligten vor der Ausschreibung darauf einigen, welche Anforderungen eine Mobile Workforce Management-Lösung auf jeden Fall abdecken muss und welche optional sind.

3. Bestehende Prozesse nicht hinterfragen

Bei der Einführung einer MWFM-Lösung übernehmen viele Unternehmen ihre bestehenden Prozesse und bilden sie im neuen System ab. Dabei vergeben sie sich die Chance, historisch gewachsene Abläufe und Gewohnheiten dahingehend zu hinterfragen, ob diese noch sinnvoll und wirtschaftlich sind. Dies betrifft nicht nur die Service- oder Instandhaltungsprozesse allein, sondern auch die Personalwirtschaft, Materiallogistik, das Controlling bis hin zur Produktion und zum Qualitätsmanagement. Es kann auch sinnvoll sein, vor dem MWFM-Projekt erst vorhandene Altlasten zu beseitigen. So kann eine MWFM-Einführung dazu beitragen, Prozesse zu verschlanken oder über mehrere Abteilungen, Niederlassungen oder Länder hinweg zu standardisieren. 

4. Individualität als Selbstzweck

Die meisten Unternehmen, die auf der Suche nach einer MWFM-Lösung sind, legen großen Wert darauf, dass diese eine Standardlösung ist. Damit wollen sie sicherstellen, dass die wichtigsten Anwendungsfälle darin bereits abgedeckt sind und sich bereits bei anderen Kunden bewährt haben. Im Zuge der Spezifikation stellen sie dann jedoch oft fest, dass nicht alle für sie selbstverständlichen Anwendungsfälle auch zum Standard bei anderen Unternehmen gehören. Die Umsetzung von individuellen Anpassungen in einem MWFM-Projekt kann einen großen Mehrwert für das Unternehmen generieren, indem Wettbewerbsvorteile durch einen maßgeschneiderten Kundenserviceprozess geschaffen werden. Zu viele spezifische Anpassungen beziehungsweise zu tief gehende technische Abweichungen können jedoch zur Folge haben, dass diese auch bei Migrationen zu zusätzlichem Entwicklungsaufwand führen. Es kann daher sinnvoll sein, die Wirtschaftlichkeit so mancher „Sonderlocke“ durchaus zu hinterfragen, auch vor dem Hintergrund einer Prozess-Standardisierung.

5. Big Bang-Rollout

Eine Mobile Workforce Management-Lösung besteht aus der Einsatzplanung der Außendiensttechniker und aus der mobilen Servicelösung. Die zeitgleiche Einführung von zwei neuen Systemen kann Unternehmen vor große Herausforderungen stellen. Deswegen sollten sie vorab prüfen, ob sie den gleichzeitigen Rollout stemmen können und ob die Verantwortlichen die erforderliche Zeit neben ihrem Tagesgeschäft erübrigen können. Oft macht es mehr Sinn, die Einführung stufenweise, regionsweise oder in verschiedenen Teilprojekten vorzunehmen. Kleine, robuste Schritte sind oft effizienter als ein Mammutprojekt mit einem kompletten Funktionsumfang, das spät das Go-Live erlebt und daher in der Innensicht keine „gute Presse“ bekommt.

6. Fehlende Einbindung der Endanwender

Der Erfolg eines MWFM-Projekts steht und fällt mit der Nutzerakzeptanz. Um diese zu gewährleisten, macht es Sinn, Vertreter aus allen betroffenen Abteilungen schon bei der Entstehung der Anforderungsliste einzubinden. Darüber hinaus unterschätzen viele Projektmanager das praxisnahe Wissen der Key User. Manchmal werden Funktionskonzepte am grünen Tisch erarbeitet, die sich später als wenig praxistauglich herausstellen. Fertige mobile Lösungen ermöglichen Endanwendern – anders als reine Technologieplattformen – Lösungskonzepte zu einem sehr frühen Zeitpunkt auszuprobieren und zu kommentieren. So lassen sich Schwachstellen frühzeitig aufdecken. Dies ermöglicht es allen Beteiligten – von der Fach- und IT-Abteilung über den Betriebsrat bis zu externem Lieferanten – gemeinsam eine Lösung zu entwickeln, mit der alle zufrieden sind.

7. Zeitdruck

Ein besonderes Phänomen ist der Zeitdruck, unter dem viele MWFM-Projekte stehen. Dies rührt oft daher, dass der Auswahlprozess für die passende Lösung mehr Zeit in Anspruch nimmt als ursprünglich eingeplant. Diese Zeit soll dann beim Rollout der Lösung wieder eingespart werden. Fakt ist auch, dass viele Unternehmen die Tragweite des Projekts unterschätzen. Wichtige Projektphasen wie Pilotierung, Schulung und Nachschulung beziehungsweise Coaching kommen dadurch oft zu kurz. Ferner ist betriebswirtschaftlich zu prüfen, woher der Zeitdruck tatsächlich rührt. Den Projektplan auf Kosten von Prozessqualität durchzusetzen, wird am Ende niemanden zufrieden stellen.

8. Renditeoptimierung vor Datenschutz

Über ein zentrales Mobile Workforce Management-System haben Disponenten alle Mitarbeiter und deren Qualifikationen im Blick. Da es sich hier um personenbezogene Daten handelt, muss der Betriebsrat in Deutschland diesem Vorgehen zustimmen. Beziehen Unternehmen diesen nicht von Anfang eines MWFM-Projekts mit ein, kann sich dies plötzlich um Monate wenn nicht gar Jahre verzögern. Deswegen ist hier eine offene, klare und rechtzeitige Kommunikation zwischen Management und Betriebsrat Pflicht. Die Einführung eines Mobile Workforce Management-Systems sollte jedoch nicht auf eine reine Renditeoptimierung des Unternehmens zielen, sondern auf eine Verbesserung des Kundenservice. Auch um wettbewerbsfähig zu bleiben, sollten Mitarbeiter und Geschäftsleitung hier einen gemeinsamen Weg finden, der vor dem Hintergrund geltenden Rechts die Belange beider Parteien berücksichtigt, personenbezogene Daten schützt und kein unbegründetes Misstrauen schafft.

9. Internationalisierung ohne Regionalisierung

Die Einführung einer Mobile Workforce Management-Lösung in einem internationalen Unternehmen ist eine besondere Herausforderung, da meistens jede Region ihre eigenen angestammten Prozesse und Besonderheiten hat. Die Heterogenität der Niederlassungen spiegelt sich nicht nur der unterschiedlichen Größe, Mitarbeiterzahl, Sprache und Kultur wider. Mehr noch spielen für ein MWFM-Projekt die unterschiedlichen IT-Systeme, legalen Richtlinien, die generelle IT-Infrastruktur des Landes sowie der Support in unterschiedlichen Zeitzonen eine bedeutende Rolle. Bei der Einführung einer internationalen, standardisierten MWFM-Lösung sollten Unternehmen deswegen darauf achten, dass Niederlassungen ihre regionale Flexibilität und Besonderheiten bewahren können und ob lokale Stärken sogar den Standard bereichern können.

Hannes Heckner, Gründer und Vorstandsvorsitzender der mobileX AG

www.mobilexag.de
 

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