IT-Demand-Supply: Das Erfolgsmodell

Das Demand-Supply-Modell ist ein etablierter Ansatz für die Organisation und das Management von IT in Unternehmen, in denen die Informationstechnologien bei ausgeprägter Fachlichkeit wesentliche Beiträge zur Leistungserbringung liefern.
 
Es hat seine Wirksamkeit in führenden Unternehmen über die vergangenen Jahre bewiesen und erweist sich als so attraktiv, dass immer mehr Unternehmen, aber auch öffentliche Ver-waltungen  ihre IT darauf umstellen.

Der Kern des Modells ist die fachliche und organisatorische Trennung von IT-Nachfrage und IT-Angebot mit dem Demand Management als zwischengeschaltetem Bereich, in dem für die IT-Steuerung notwendige Fach- und IT-Kompetenzen zusammengefasst sind. Diese Trennung hat zum Ziel, die Balance zwischen Fachbereichen und IT herzustellen und die fachlichen Vorteile von dezentralen Organisationen (Businessfokus) mit der IT-Effizienz (Angebotsbündelung, Standardisierung, Skaleneffekte) von zentralen Organisationen gemeinsam zu heben. Die Vorteile, die das Demand-Supply-Modell verspricht, sind gesichertes Business-IT-Alignment, gesteigerte Effizienz, verbesserte Wertschöpfung und Innovation in und durch IT.

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Das Modell koordiniert die Interessen aus Fachbereichen und IT und steigert die Geschäfts-prozessorientierung durch Kundenorientierung der IT. Mithilfe der Bündelung von fachlichen und technischen Ressourcen und Kompetenzen werden effektive Leistungsnetzwerke geschaffen. Die Flexibilität des Modells erlaubt, Effizienzpotentiale aus Standardisierung in Querschnitts- und zentraler IT zu heben, während die Fähigkeit zur fachlichen Spezialisierung erhalten bleibt. Das Demand-Supply-Modell schafft eine Unabhängigkeit vom Sourcingansatz und ermöglicht Flexibilität in Bezug auf die Zukunft der Beschaffung mittels In- oder Out-sourcing, Near-/Offshoring oder Cloud. Unternehmensintern wirken Marktmechanismen, die die Nachfrage rationalisieren. Die Einflussnahme auf Dienstleister wird durch Spezialisierung und Optimierung der Beschaffung erhöht.

Gerade die Unabhängigkeit vom bestehenden und vom zukünftigen Sourcingansatz trägt zur Attraktivität des Demand-Supply-Modells bei, das davon unabhängig funktioniert, ob die IT-Leistungserbringung durch eine interne IT-Organisation oder einen externen IT-Dienstleister erfolgt oder Mischvarianten realisiert werden, wie es heute weit verbreitet ist.

Insgesamt spiegelt das Demand-Supply-Modell den Paradigmenwechsel der IT-Organisationen wider, weg von der in der Vergangenheit oft auf die rein technische Delivery-Aufgabe reduzierte hin zu einer erfolgskritischen Businessaufgabe. Es ermöglicht, die IT als Businessfunktion zu managen und weiter zu entwickeln.

Herausforderungen

Für die Übertragung und Anpassung des Demand-Supply-Modells auf die IT-Organisation sind vielfältige Verfahren und Good Practices entwickelt worden, auf die Unternehmen heute zurückgreifen können. Erfahrungsgemäß ist die Umsetzung des Ansatzes im eigenen Unternehmen dennoch eine außerordentliche Herausforderung. Die Gründe dafür variieren unternehmensbezogen. Sie bestehen u.a. darin, dass alle Organisationsbereiche, sowohl die Fachbereiche als auch die IT, von der Transformation betroffen sind und den notwendigen Änderungsprozess mittragen und durchlaufen müssen.  

Die Fachbereiche werden als Anforderungssteller neu positioniert. Die bestehenden IT-Einheiten werden auf die Geschäftsprozessunterstützung und damit fachlich ausgerichtete IT-Leistungserbringung neu zugeschnitten. Sie erhalten eine grundlegend neue Ausrichtung. Es ist Transparenz über die unkontrollierte IT (graue IT bzw. Schatten-IT) in den Fachbereichen zu schaffen und diese IT in die Verantwortung der Demand-Organisation zu übertragen. Neue Verfahren müssen etabliert werden, die sicherstellen, dass keine neue unkontrollierte IT im Unternehmen eingeführt wird.

Stellgrößen

Die Komplexität der Transformation in eine IT-Demand-Supply-Organisation erfordert au-ßerordentliches Wissen und Geschick, da eine große Menge an interdependenten Stellgrößen optimal konfiguriert werden muss. Typische Stellgrößen für die Anpassung des Demand-Supply-Modells auf die eigene Organisation sind:

 
  • Der Zuschnitt und die Verortung von Organisationseinheiten und Verantwortungen im Unternehmen bei einhergehender Verschiebung von Zuständigkeiten: Welche Aufgaben sind der IT-Demand- und welche der IT-Supply-Seite zugeordnet?
  • Die Festlegung des Grads an (De-) Zentralisierung der Organisationseinheiten und Aufgaben: Wer erhält wie viel Verantwortung und Selbstbestimmung? Wie viel Governance soll ausgeübt werden? In welcher Form erfolgt die Steuerung?
  • Die Ausgestaltung der Leistungsverrechnung, der Kostentransparenz und der IT-Budgetverantwortung: Liegt das IT-Budget bei den Fachbereichen? Wird es zentral von der IT-Demand-Organisation verwaltet? Hat die IT-Supply-Organisation ein eigenes Budget?
  • Die Einrichtung organisationsübergreifender Schnittstellenprozesse und Rollen zwi-schen Business, IT-Demand-Management und IT-Supply: Welche Prozesse müssen definiert werden? Wer ist der Prozessverantwortliche und wie stark werden die Fachbereiche in die Prozesse integriert?
  • Die Ausprägung der IT-Steuerung über die regulatorische Breite und Tiefe des IT-Governance Modells: Wer übt zukünftig die IT-Governance aus? Wie viele Freiheitsgrade werden der IT-Betriebsorganisation gegeben?
  • Die Verortung technisch ausgerichteter Governance Aspekte im Demand Supply Mo-dell: Verbleiben stark technisch orientierte Funktionen mit dem dafür notwendigen IT-Fach-Know-How wie zum Beispiel das Enterprise Architecture Management auf der Supply-Seite oder werden diese als Governance Funktionen in das Demand Management integriert?
  • Die Integration von Projekt Portfolio Management und Projektorganisationen: Wie sehen die Schnittstellen zwischen den Projekten und der Demand-Supply-Organisation zu-künftig aus? Wie sind Projekte zukünftig aus der Demand-Supply-Organisation zu besetzen?
  • Den Flexibilitätsgrad der Demand-Supply Organisation: Sollen über das Modell die eigene IT-Supply-Organisation und die externen IT-Dienstleister einheitlich gesteuert werden? Ist die Steuerungsintensität in Verbindung mit den Freiheitsgraden der IT-Lieferung in-dividuell auszurichten?

Als wesentliche Stellgröße für die Ausgestaltung des Demand-Supply-Modells sind der organisatorische Aufbau und die Verantwortungsverteilung zu betrachten. Zunächst sollte die Kernfrage, über welchen Grad an Eigenständigkeit in den Entscheidungen und damit an Verantwortlichkeit die Fachbereiche verfügen, beantwortet werden. Diese Kernfrage beeinflusst alle weiteren Stellgrößen der Demand-Supply-Organisation und ist als Leitlinie der IT im Un-ternehmen zu verankern.

Im Ergebnis werden entweder dezentrale IT-Demand Einheiten in den Fachbereichen oder eine zentrale IT-Demand Querschnittsorganisation zwischen den Fachbereichen und dem IT-Betrieb etabliert. Auch Mischformen sind möglich, um Unternehmensspezifika abzubilden (siehe Bild 1).

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Kritische Erfolgsfaktoren

Die Etablierung des Demand-Supply-Modells ist ein integriertes Organisationsprojekt, das klares Commitment seitens des Top-Managements und nachhaltiges Sponsorship benötigt. Eine Auswahl an kritischen Erfolgsfaktoren zeigt, wie durch Setzen geeigneter Bedingungen auf die Effektivität des Projekts und die Qualität des Ergebnisses hingewirkt werden kann:

 
  • Managementinvolvement: Schon vor dem Projektstart ist mit den Stakeholdern und den Schlüsselfunktionen eine Leitlinie für das Demand-Supply-Modell zu definieren. Die Leitlinie gibt den strategischen Rahmen vor und bildet den Zielkorridor für das Projekt. Die Leitlinie sollte ein Dokument der Führungsetage sein, das das Commitment des Managements kommuniziert.
  • Zielklarheit, realistische Zielsetzung und Objektivität: Auf Basis der Leitlinie sind die Zielstellungen zu spezifizieren und die Ziele transparent zu machen. Es ist eine unabhängige Standortbestimmung vorzunehmen, um die Erfolgswahrscheinlichkeit der Ziele zu überprüfen und eine Vergleichsbasis für den realisierten Erfolg zu schaffen. 
  • Individualisierung durch Justierung und Konfiguration der Stellgrößen des Grundmodells: Die Blaupause des Demand-Supply-Modells wird über die Leitlinie und die aufgeführten Stellgrößen individualisiert. Dabei sind Spezifika der Märkte, Branchen und des Unternehmens zu berücksichtigen.
  • Beteiligung der Fachbereiche: In enger Abstimmung mit der IT sollte den Fachbereichen im Projekt eine tragende Rolle zukommen. Bereits das Projekt sollte als gutes Beispiel für die zukünftige Kooperation von Fachbereichen und IT vorangehen und das Ziel des Business-IT-Alignment „leben“.
  • Dediziertes fachliches Know-how: Der Umsetzungserfolg des Demand-Supply-Modell ist abhängig vom Know-how der verfügbaren Mitarbeiter. Die Schnittstelle zwischen Business und IT ist organisatorisch und prozessual, aber auch in Bezug auf das Know-how zu schließen. Im Rahmen des Projektes sollten frühzeitig Chancen und Perspektiven der neuen Aufgaben-, Rollen- und Verantwortungsbereiche dargelegt und entsprechende Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für die Mitarbeiter ergriffen werden.
  • Effektiver Transitionsplan und -umsetzung: Ein „Big-Bang“-Ansatz ist in den seltensten Fällen vorteilhaft. Die Transition ist vielmehr iterativ und individuell auszugestalten. Der Transitionsplan sollte insbesondere den Ursprungszustand der Organisation berücksichtigen (siehe Bild 2).
  • Begleitendes Change Management: Das Schlagwort eines begleitenden Change Management sowie dessen Notwendigkeit in den Organisationsprojekten ist nicht neu, muss hier jedoch trotzdem besondere Erwähnung finden, da es in Verbindung mit IT oft wissentlich ignoriert wird. Beim Umfang der organisatorischen Maßnahmen sind die Unterstützung des Wandels und die Mitarbeiterkommunikation unersetzlich.

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Fazit

Die ausgewiesenen Vorteile des Demand-Supply-Modells motivieren immer mehr Unternehmen, dieses Modell für ihre eigene IT-Organisation zu adaptieren. Das mit der Umstellung auf eine IT-Demand-Supply-Organisation verbundene Wertversprechen ist wirtschaftlich und fachlich attraktiv. Die Wirkung ist nachhaltig. Der Weg bis zur Schaffung einer etablierten IT-Demand-Supply-Organisation ist jedoch häufig mit Ungewissheit, Widerständen und Hemmnissen belegt. Die Herausforderungen sind vielfältig. Die Komplexität der Strategie- und Transitionsprojekte ist ausgesprochen groß. Die Anzahl von Aktivitäten, Planungs- und Stellgrößen ist dementsprechend hoch. Es besteht die Gefahr, dass durch die Betrachtungsbreite erfolgskritische Faktoren zu gering beachtet und Stellgrößen nicht hinreichend genutzt werden.

Somit unterliegen die Projekte hohen Ansprüchen. Sie bedürfen eines klaren Commitments des Managements, dezidierter Ressourcen und stringent koordinierter Aktivitäten der Fach- und IT-Bereiche des Unternehmens. Wichtig sind Objektivität, unabhängige Standortbestimmung, Zielanalyse und eine strukturierte Vorgehensweise, welche auch bestehende Markterfahrungen berücksichtigt. Diese hilft dabei, Akzeptanz zu schaffen, intern nicht vorhersehbare Hemmnisse zu vermeiden und vom Know-How und den Markterfahrungen zu profitieren.

Ilja Krybus / Christoph Steens / Oliver Mischur

 
www.bearingpoint.de

Diesen Artikel lesen Sie auch in der it management , Ausgabe 4-2012.

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