Deutsche Manager verlieren das Vertrauen in die bestehende Währungsunion

Deutsche Manager verlieren das Vertrauen in die bestehende Währungsunion

38 Prozent der deutschen Manager fordern eine Verkleinerung der Eurozone – 3 Prozent plädieren sogar für eine Abschaffung der Gemeinschaftswährung – 96 Prozent sehen konsequenten, zentral gesteuerten Sparkurs als einzigen Weg aus der aktuellen Krise.

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Die Abwärtsspirale in Griechenland und die sich andeutende Banken- und Finanzkrise in Spanien und Italien sorgen zunehmend für Verunsicherung in den Vorstandsetagen der deutschen wie der internationalen Wirtschaft. 38 Prozent der deutschen Manager haben daher bereits den Glauben an die Eurozone im aktuellen Umfang verloren und votieren für eine Verkleinerung bzw. Abspaltung einer Kern-Eurozone aus Mitgliedsländern mit Spitzenbonität. Weitere 3 Prozent plädieren sogar für die Abschaffung der Gemeinschaftswährung. Vor diesem Hintergrund ist innerhalb Europas jeder zweite hochrangige Entscheider in Sorge um die politische und wirtschaftliche Situation des Wirtschaftsraums.
 
Die Außenperspektive fällt noch negativer aus: In Nordamerika zeigen sich bereits 65 Prozent der Wirtschaftslenker besorgt über das Krisenszenario in der alten Welt – in Südamerika sogar 83 Prozent. Abhilfe erhofft sich eine große Mehrheit durch die Souveränität der EU in finanzpolitischen Fragen. Drei von vier der deutschen Konzernlenker (74 Prozent) möchten Fragen der Währungspolitik vorzugsweise auf europäischer und nicht auf nationaler Ebene geregelt wissen. Nur 17 Prozent sprechen sich für eine nationale Entscheidungshoheit auf diesem Gebiet aus. Auch bei der Haushalts- und Steuerpolitik genießt die EU das Vertrauen von 65 Prozent der Entscheider, während sich 22 Prozent durch die nationalen Regierungen besser vertreten sehen.
 
Das sind die zentralen Ergebnisse der Studie „Revitalising the European Dream“. Für diese hat die internationale Strategieberatung Booz & Company zusammen mit der Business School INSEAD knapp 2.000 Manager der weltweit führenden Unternehmen – darunter 260 aus Deutschland – nach ihrer Einschätzung der aktuellen wirtschaftspolitischen Situation in Europa und möglichen Wegen aus der Währungs- und Finanzkrise befragt. Die Studie wurde vor rund 550 Teilnehmern der Konferenz „The State oft he European Union“ in Brüssel vorgestellt.
 
Mehr Verantwortung für europäische Institutionen
 
Unter den deutschen Managern herrscht Einigkeit bezüglich der künftigen Rolle der EU: 96 Prozent der Befragten sprechen sich für einen rigorosen, von der EU geleiteten Sparkurs aus. Selbst in den südlichen Mitgliedstaaten halten 65 bis 70 Prozent diese Vorgehensweise für unumgänglich. „Um die Liquidität und Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedstaaten langfristig zu erhalten, sollte die EU stärker in die Geld-, Haushalts- und Steuerpolitik eingreifen. Die Interessen der Mitgliedstaaten müssen verstärkt in Brüssel gebündelt werden. Darüber hinaus stehen strukturelle Veränderungen an, die Sozialsysteme brauchen mehr Flexibilität. Die Entscheider sind sich dieser Herausforderung bewusst. Ihr Vertrauensvorschuss ist ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung“, kommentiert Per-Ola Karlsson, Senior Vice-President und Europachef von Booz & Company, die Ergebnisse. Deutschland und seine Kanzlerin Angela Merkel stehen für diesen von der Wirtschaft geforderten Kurs. Ihr Festhalten am Fiskalpakt und ihre konsequente Absage an schuldenfinanzierte Konjunkturpakete sowie an gemeinsame Schulden in Form von Eurobonds treffen offensichtlich den Nerv der Führungsriegen in der deutschen Wirtschaft. „Haushaltskonsolidierung und Wachstum sind bei der deutschen Kanzlerin zwei Seiten einer Medaille – das entspricht exakt der für die gesamte Währungsunion geforderten Linie. Doch weitere Entscheidungen, die jetzt anstehen, sind zu unpopulär, als dass sie auf nationaler Ebene getroffen werden könnten. Deshalb sollte die EU das Heft des Handelns stärker in die Hand nehmen“, ergänzt Dr. Klaus-Peter Gushurst, Sprecher der Geschäftsführung im deutschsprachigen Raum von Booz & Company.
 
Fiskalpakt und Bildung als Wege aus der Krise
 
Die von Booz & Company befragten internationalen Manager verkennen aber nicht, dass die Europäische Union noch immer eine sehr reiche Region ist und einige der produktivsten und innovativsten Unternehmen der Welt beheimatet. Doch die Schuldenkrise der letzten Jahre hat das Bild getrübt. 75 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die EU-Staaten in puncto Wettbewerbsfähigkeit hinter anderen Regionen wie Asien oder dem Mittleren Osten zurückbleiben. Jeder Zweite geht davon aus, dass dieser Rückstand in den nächsten zehn Jahren noch weiter wächst. „Der konsequente Sparkurs ist mit Sicherheit der richtige Weg, aber aktuell fehlt es an konkreten Wachstumsstrategien. Das sorgt für Unsicherheit. Die Mitgliedstaaten müssen möglichst bald wieder an einem Strang ziehen und nicht länger die anstehenden Reformen beweinen“, empfiehlt Gushurst. Hier sehen die Topmanager vor allem die Europäische Zentralbank gemeinsam mit nationalen Banken und Regierungen in der Pflicht. Auf nationaler Ebene soll mehr Budget in Bildung und Innovation und den weiteren Ausbau der Infrastruktur fließen.
 

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