Gesichtserkennung: Ein weiterer Schritt in Richtung „Big Brother“?

Martin Rösler, Leiter des Forschungsteams beim IT-Sicherheitsanbieter Trend Micro

Ein Kommentar von Martin Rösler, Leiter des Forschungsteams bei Trend Micro.

Anzeige
Nachdem Facebook vor einiger Zeit eine neue Funktion zur Gesichtserkennung eingeführt hat, zieht jetzt Google nach. Der Suchmaschinen-Gigant hat "Pittsburgh Pattern Recognition" übernommen, ein Unternehmen, das Software zur Identifizierung von Gesichtern auf Fotos und in Videos anbietet. 
Mit der Software kann man Personen auf Fotos Identitäten zuordnen und Freunden Fotos vorschlagen, auf denen diese ihre Bekannten markieren können. Facebook war von Datenschützern für diese Fähigkeit kritisiert worden, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie standardmäßig eingeschaltet ist.
Nun lässt sich jeder Kritik an Facebook entgegen halten, dass die Nutzer sozialer Netze ihre persönlichen Informationen – einschließlich ihrer für sie nicht immer vorteilhaften Fotos von Partys – freiwillig veröffentlichen und damit den Schutz ihrer Privatsphäre aufs Spiel setzen. Etwas anderes ist es, wenn eine Person nur zufällig auf einem Bild zu sehen ist, das andere "Freunde" verwenden – denn mit der Gesichtserkennungssoftware kann jeder die Identität dieser Person über einen Abgleich im eigenen Facebook-Konto herausfinden. Vor diesem Hintergrund ist es problematisch, dass Facebook-Nutzer diese Funktion explizit deaktivieren müssen, um sich vor etwaigem Missbrauch zu schützen. 
Noch brisanter aber ist die Überlegung, warum Google oder Facebook für eine solche Technik Geld ausgeben. Die Antwort ist einfach und gleichzeitig erschreckend: Das Geschäftsmodell ist der Grund. Denn beide Unternehmen leben davon, dass ihre Nutzer "kostenlos" Informationen über sich preisgeben, die sich dann zu Geld machen lassen. Google erhält Informationen über jene Dinge, die die Nutzer suchen und die sie interessieren – und diese Informationen sind für Anbieter und für deren Produkte Gold wert. Facebook und vielleicht irgendwann auch Google Plus erfährt etwas über die Beziehungen, Hobbies und Gefühle der Teilnehmer, also ebenfalls Werte, die sich sehr wohl "versilbern" lassen.
Die Gefahr, die von der Gesichtserkennungssoftware ausgeht, liegt weniger in der Verletzung der Privatsphäre der Nutzer als vielmehr darin, dass die beiden Dienstleister ihre "Kernkompetenz" stärken und mittels der Funktionalität ihr Datenpotenzial vergrößern, indem sie über identifizierte Personen auf Fotos noch mehr über deren Beziehungen und Interessen erfahren.
Und Fotos sollten das bleiben, was sie sind: Abbilder dessen, was wir sehen und nicht dessen, was wir wissen! Wir sollten unsere heutige Welt nicht noch mehr der Orwell’schen Vision angleichen. 
 
Martin Rösler, www.trendmicro.de

Anzeige

Weitere Artikel

Newsletter
Newsletter Box

Mit Klick auf den Button "Jetzt Anmelden" stimme ich der Datenschutzerklärung zu.