IT Outsourcing: Steigerung von Agilität und Flexibilität

Die Hauptursache für das Scheitern von Outsourcingtransaktionen und vorzeitige Vertragsauflösungen ist mangelnde Flexibilität. Viele Kunden beklagen die fehlende Agilität ihrer Outsourcingpartnerschaft. Mit den richtigen Instrumenten lassen sich jedoch die meisten Outsourcingbeziehungen flexibilisieren.

Die Forderung nach agileren Outsourcingvereinbarungen wird getrieben durch kürzere time-to-market Zyklen, steigenden Wettbewerb und eine zunehmende Reduktion der Fertigungstiefe bei globalem Preisdruck.

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Die drei wichtigsten Outsourcingziele sind (1) Preisreduktion, (2) Qualität in Form von SLAs und (3) Flexibilität/Agilität. Diese stehen in einem starken Zielkonflikt zueinander. Vor einer Outsourcingentscheidung ist daher die richtige Priorisierung der drei Ziele entscheidend. Die Wichtigkeit von Flexibilität wird dabei häufig unterschätzt.
 
Viele Outsourcingtransaktionen zielen vor allem auf signifikante Kosteneinsparungen. Doch hohe Kosteneinsparungen bedingen fast immer einschneidende Veränderungen mit hohen Anfangsinvestitionen und sind daher nur über längere Laufzeiten realisierbar. Die langen Laufzeiten von Cost-Cutting-Deals widersprechen jedoch dem Ziel „Flexibilität“. Oft erhalten die rechenbaren, „harten“ Zahlen bereits bei den Verhandlungen Vorrang vor den eher wenig griffigen Flexibilitätsparametern einer Transaktion.

Ein weiterer Zielkonflikt von Flexibilität und Preis ergibt sich mit der zweiten wichtigen Zielgröße eines Outsourcingdeals: der Qualität. Wer Preiseinsparungen von 20-30 Prozent fordert, der muss umfassende Service Level Agreements (SLAs) definieren, sonst bricht die Qualität schnell ein. Aufgrund von Providermargen und Transitionskosten muss der Provider netto nicht selten über 40 Prozent bei gleicher Qualität einsparen. Unter dem enormen Preis- und Qualitätsdruck ist ein Provider dann kaum noch bereit, bei der Flexibilität Zugeständnisse zu machen.

Wie es dennoch möglich ist, die drei wichtigsten Outsourcingziele unter einen Hut zu bringen, soll im folgenden anhand von konkreten Instrumenten dargestellt werden:

Instrument 1: Kurze Laufzeiten

Seit einiger Zeit sind im Markt zunehmend kürzere Vertragslaufzeiten von bis zu 3 Jahren oder kürzer zu beobachten. Der größte Nachteil von langen Laufzeiten ist der Verlust an Flexibilität. Niemand weiß, ob sich der Servicebedarf in 5 Jahren nicht grundlegend geändert hat oder ob manche Leistungen komplett wegfallen werden. Zudem ist ungewiss, ob der Provider auch in 5 Jahren noch der beste Lieferant für die jeweilige Leistung ist und ob er neu entstehende Anforderungen kompetent bedienen kann.

Bei sehr kurzen Laufzeiten lassen sich jedoch nicht immer die gewünschten Kosteneinsparungen realisieren. Besonders bei sinkenden oder stagnierenden Mengen müssen Fixkostenblöcke zunächst über teure Restrukturierungskosten reduziert oder bestehende Investitionskosten abgeschrieben werden. Eine längere Laufzeit bietet daher mehr Potenzial für Kostensenkungen und somit bessere Aussichten für einen günstigen Preise.

Instrument 2: Ordentliches Kündigungsrecht & Mindestabnahme

Auch bei längeren Laufzeiten von Rahmenverträgen gibt es Möglichkeiten zur Flexibilisierung. Enthält der Vertrag ein ordentliches Kündigungsrecht einzelner Leistungsscheine oder Services bis zu einer Mindestvergütung, so ergibt sich daraus eine ausreichende Flexibilität für einen Providerwechsel bezogen auf dedizierte Services. Auf diesem Weg kann beispielsweise die Mindestvergütung des Gesamtvolumens nach 2-3 Jahren auf 70 Prozent reduziert werden und nach 4-5 Jahren auf 50 Prozent, so dass das Outsourcing über die Jahre immer flexibler wird. Wichtige Voraussetzung ist jedoch ein modularer Aufbau der Leistungsscheine und Preismodelle, da sonst bestimmte Leistungen nur schwer herausgelöst werden können.

Instrument 3: Sonderkündigungsrecht

Ein wichtiger Vertragsbestandteil in modernen Outsourcingverträgen ist das Sonderkündigungsrecht in vorher definierten Ausnahmesituationen wie z.B. bei wiederholter SLA-Verletzung oder beim Verkauf von Unternehmensteilen.

Instrument 4: Benchmarkklausel

Um preisliche Fehlentwicklungen aufhalten zu können, ist es in jedem Fall sinnvoll, als Kunde eine Option auf ein Benchmarking im Rahmenvertrag zu vereinbaren. Dabei sollte nicht nur ein Komplett-Benchmarking, sondern auch ein Benchmarking einzelner Leistungsscheine möglich sein. Vereinbart werden sollte eine automatische Preisanpassung, falls der ermittelte Marktpreis nach unten abweicht. Der Definition wie der Marktpreis berechnet wird, kommt dabei eine wesentliche Bedeutung zu. Wird der Marktpreis z.B. als MPOBQ (Mid Point of Best Quartile) definiert, so weicht er nicht selten um mehr als 20 Prozent gegenüber dem Mittelwert nach unten ab.

Instrument 5: Verfahren für neue Umfänge

Auch bei strategischen Partnerschaften empfiehlt sich das "First-Bid-Last-Call"-Verfahren. Exklusivität sollte unbedingt vermieden werden, da sich daraus eine zu große Abhängigkeit und damit eine schlechte Verhandlungsposition für den Kunden ergibt.

Instrument 6: Multisourcing

Bei Abhängigkeit von einem einzigen Provider kann eine mangelnde Kundenorientierung die Folge sein. Es gilt: "Konkurrenz belebt das Geschäft". Multisourcing bringt zwar in vielerlei Hinsicht Flexibilität, erfordert aber auch genaue Regelungen an den Schnittstellen für das Zusammenspiel der verschiedenen Provider.

Im Bereich der Anwendungsentwicklung und –wartung empfiehlt sich zudem eine Multisourcingstrategie, da ein Provider nur selten alle Skills abdeckt. Bei Projekten können Kompetenzlücken besonders verheerende Folgen haben.

Instrument 7: Skalierende Preismodelle

Ein weiterer Schlüssel für eine flexible Outsourcingbeziehung ist die Abbildung von Mehr- und Mindermengen im Preismodell. Die Leistungsbeschreibungen sind hierzu möglichst modular aufzubauen und auf die Strukturen des Preismodells abzustimmen. Im Bereich der Anwendungsentwicklung kann die Function Point Methode Sinn machen, da Sie als einzige Methode mit dem Output des Entwicklungsprozesses skaliert und somit in der Lage ist, Produktivität und Qualität wirklich abzusichern. Für den Betrieb dagegen gibt es eine Vielzahl von Preismodellen basierend auf verschiedenen Kostentreibern (z.B. Gigabytes, Serverklassen, Tickets, User, Geschäftstransaktionen). Festpreise sowie Time & Material-Modelle sollten eher vermieden werden. Oft tendieren Provider aber dazu bei sinkenden Mengen Mindestgrenzen zu vereinbaren um Remanenzkosten decken zu können.

Instrument 8: Capacity-On-Demand Preismodelle

Insbesondere Capacity-On-Demand Modelle helfen, Remanenzkosten zu vermeiden und eigenen sich besonders um die kurzfristige Ausrichtung der IT an wechselnde Bedarfe sicherzustellen, sowie die IT-Kosten zu flexibilisieren. Früher haben Provider nur selten die geforderte Flexibilität gezeigt. Der Rückbau von Systemen wurde komplizierter dargestellt als er ist. Remanenzkosten wurden ins Feld geführt, um zu verhindern, dass der Cash flow eines bestehenden Services versiegt. Der Trend geht zur flexiblen Abrechnung und insbesondere zum „On-Demand"-Outsourcing, bei dem die Leistungen der Service Provider flexibel genutzt und kurzfristig wieder abgemeldet werden bzw. nur bei Abnahme verrechnet werden. Ein zusätzlicher Vorteil neben dem Sparpotenzial durch "On Demand" liegt im flexiblen Abdecken von Bedarfsspitzen.

Optimierter Budgetzuschnitt und unterschiedliche Outsourcingziele im Plan, Build und Run-Bereich.
Dabei kommt einer gemeinsamen Planung des Kunden mit dem Provider eine hohe Bedeutung zu. Zwar gibt es in dem Modell keine Remanenzkosten, der Kunde muss aber regelmäßig eine Mengenprognose abgeben. Trifft die Prognose weitgehend ein, wird der günstige Normalpreis berechnet. Eine fehlerhafte Prognose wird dagegen über einen teueren Stückpreis sanktioniert. Dies hilft dem Provider Verluste teilweise zu decken. Neben dem Erziehungseffekt des Kunden hat dies bei ausreichendem Vorlauf der Prognose auch den Vorteil, dass sich Remanenzen auf Providerseite tatsächlich vermeiden lassen, ohne dass es eine starre Mindestabnahme gibt.

Instrument 9: Change Mangement & Governance Prozeduren

Auch die Definition von Change Management Prozeduren trägt deutlich zu einer agileren Outsourcingbeziehung bei. Hier kann es sinnvoll sein, Reaktionszeiten des Servicemanagements zum Beispiel bei bestimmten Angebotsklassen als SLA zu vereinbaren und zu pönalisieren. Noch wichtiger ist aber eine geeignete Governancestruktur. Neben den klassischen Gremien (z.B. Servicemanagementgesprächen, Projektleitergremium, Lenkungsausschuss) sollte mindestens ein regelmäßiges Architekturboard etabliert werden, welches mit Vertretern von Kunde und Provider besetzt ist und sich frühzeitig über den technologischen Veränderungsprozess Gedanken macht.

Nicht selten ist es von Vorteil, den Provider diesbezüglich auch vertraglich in die Pflicht zu nehmen. Zum Beispiel kann der Kunde sich zusichern lassen, über Innovationsthemen und relevante neue Technologien im 2 Monatsrhythmus vom Provider informiert zu werden.

Instrument 10: Gemeinsames Innovationsmanagement

Der Provider führt dazu beispielsweise ein ständiges Technologiescreening durch und dokumentiert die Ergebnisse kundenspezifisch nach Relevanz und Zeithorizont auf einem Technologieradar. Diese Ergebnisse werden regelmäßig im Architektur-/Technologieboard zusammen mit dem Kunden besprochen. Für den Provider hat dies den Vorteil, dass er nun eine Plattform hat, um auch proaktiv Innovationen beim Kunden anzustoßen und evtl. Zusatzservices zu verkaufen. Es entsteht eine Win-Win-Situation für beide Seiten. Ohne Architektur/Technologieboard besteht die Gefahr, dass sowohl Kunde als auch Provider wichtige Trends verschlafen.

Instrument 11: EAM mit regelmässiger Messung der Geschäftsabdeckung durch IT

Im Rahmen eines Enterprise Architecture Managements (EAM) sollte regelmäßig überprüft werden, ob  die Anwendungssysteme, sowie die zugehörigen SLAs die Geschäftsanforderungen des Unternehmens abdecken. Wichtig ist hierbei, dass die Messung der Geschäftsabdeckung durch die IT pro Geschäftsprozess operationalisiert wird.

Zu diesem Zweck sollten regelmäßig (mindestens einmal im Jahr) Anforderungsworkshops mit den Fachbereichen für jeden Geschäftsprozess durchgeführt werden. Noch nicht abgedeckte Anforderungen der Fachbereiche können so strukturiert und systematisch anhand eines Referenzprozessmodells erhoben werden. Dabei werden die Fachbereiche gebeten, pro Geschäftsprozessschritt den "Abdeckungsgrad der Geschäftsprozessanforderung durch die derzeitige IT" und die "Wichtigkeit dieser Anforderung" auf einer Skala zu bewerten. Die Notwendigkeit, eine Bewertung abzugeben, zwingt die Fachbereiche, über ihre Anforderungen nachzudenken und diese zu priorisieren. Neu aufgenommene Anforderungen können so gleich sinnvoll priorisiert in das Anforderungsmanagement der IT übernommen werden. So werden systematisch Lücken in der funktionalen Abdeckung identifiziert.

Zudem kann pro Geschäftsprozess ein Gesamtwert für die Leistungskraft einer IT-Anwendung ermittelt werden bzw. pro Geschäftsprozess eine Gesamtabdeckung der Geschäftsprozessanforderungen berechnet werden kann. Diese Werte sind ein wichtiger Indikator für die Kundenzufriedenheit mit den IT-Services bezogen auf die jeweiligen Geschäftsprozesse. Dadurch entsteht ein aussagekräftiges Bild über Handlungsbedarfe. Zudem ist sichergestellt, dass die IT regelmäßig "das Ohr am Kunden" hat.

Neue Anforderungen werden nach einer ROI-Betrachtung im Rahmen eines Requirementsmanagements bzw. eines Programmmanagements in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Provider realisiert.

Allerdings ist sowohl für die Steuerung des Innovationsmanagements wie auch für den EAM-Prozess eine schlagkräftige "Retained" Organisation auf Kundenseite erforderlich. Diese wird am besten in sogenannten Competence Centern gebündelt. Dabei hat sich eine Bündelung der Kompetenzen nach Geschäftsprozessen bewährt, so dass es z.B. eine Competence Center für CRM, eins für PLM, eins für Logistik, eins für HR und eins für FI/CO-Themen gibt.

Diese internen Competence Center sollten unbedingt fundiertes Geschäftsprozess-Know-How besitzen. Sie führen somit auch die Fachkonzeptionen durch ggf. zusammen mit der geeigneten Providerunterstützung. Keinesfalls dürfen diese Kompetenzen fremd vergeben werden. Der Kunde muss hier unbedingt im "driver seat" bleiben und die Innovationen und das Veränderungsmanagement bzgl. der Geschäftsprozesse treiben, da die Erfahrung zeigt, dass Provider diese Rolle nicht ausreichend übernehmen wollen bzw. können.

Häufige "Flexibilitätskiller"

Es verwundert nicht, dass Firmen bei denen kundenseitige Kompetenzen fehlen, Outsourcingbeziehungen in der Regel als viel zu starr und unflexibel wahrnehmen. Fehlendes Prozess-& Steuerungs-Know-How auf Kundenseite ist der stärkste Flexibilitätskiller.

Ähnlich schädlich ist eine falsche Kundenerwartung im Sinne „Innovation ist Akquise und folglich unentgeltlich durch den Provider zu erbringen".
Auch eine falsche Governance Struktur kann fatal sein. So wird bei einem globalen Outsourcing nicht selten vergessen, Supply-Demand-Beziehungen zwischen der lokalen Kunden- und der lokalen Providerorganisation in den Ländern zu etablieren. Ein Innovationsstau ist dann oft die Folge.

Flexibilitätskiller kann aber vor allem auch ein starres Preis- oder Vertragsmodell sein. Beim Outsourcing werden notwendigerweise die oft konfliktären Interessen zwischen Provider und Kunde mit Hilfe von Verträgen geregelt. Verträge sind von ihrem Wesen her eher starr. Werden die oben beschriebenen Instrumente zur Flexibilisierung nicht genutzt, wirkt der Vertrag in der Regel wie ein zu enges Korsett.

Problematisch sind auch Fehler bei der Providerauswahl. Werden die Deliveryfähigkeiten des Providers falsch eingeschätzt kann dies ein "Show-Stopper" für die Flexibilität sein.

Ähnliches gilt wenn der Deal aus Providersicht unprofitabel ist. Dann wird an allen Ecken und Enden gespart. Für Innovation sind dann keine Ressourcen mehr vorhanden.

Fazit

Um ein höheres Maß an Agilität sicherzustellen, sollte die Budgetverteilung langfristig, wie im Bild oben dargestellt entwickelt werden. Die Erhöhung des Plan&Build-Budgets ermöglicht einen höheren Wertbeitrag der IT und einer verbesserten Innovationskraft.

Dabei müssen die unterschiedlichen Zielsetzungen im Bereich "Plan & Build" sowie im Bereich "Run" bei der Ausgestaltung der Vertragsbeziehung berücksichtigt werden.

Betriebskosten (Run) sollten im Rahmen eines Outsourcings mit klaren Kosteneinsparungszielen vereinbart werden, ohne dabei die Qualität zu vernachlässigen. Die frei werdenden Mittel können dann in wertschöpfende Bereiche investiert werden (Plan & Build). So vergrößert sich der Handlungsspielraum und die Agilität der IT nimmt zu.

Erfolgreiche CIO’s machen vor wie es geht. Sie konsolidieren im Bereich der Betriebskosten und setzen dabei konsequent auf Standardisierung (Run). Die frei werdenden Mittel werden in wertschöpfende Anwendungen und in Projekte zur verbesserten IT-Unterstützung der Geschäftsanforderungen investiert (Plan & Build).

Unbedingte Voraussetzung für den effektiven Mitteleinsatz ist eine ausreichende Ressourcen- und Kompetenzausstattung für die Plan & Build-Themen in der kundenseitigen Organisation. Nur so kann die Organisation als Innovationstreiber fungieren und ein agiles Sourcing sicherstellen.

Carsten Glohr  ist Managing Partner bei der Detecon International GmbH.

 

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