UC ist mehr als “bessere Groupware”

Dr. Andreas StiehlerDr. Andreas Stiehler über Unified Communications.

Unified Communications (UC) hat sich in den letzten Jahren vom Hype-Begriff zu einem Thema mit praktischer Relevanz für Unternehmen entwickelt. Dies belegen die Ergebnisse des Reports "Perspektive Unified Communications", den Berlecon im Auftrag von Cisco, Damovo und Aastra erstellt hat. Demnach realisiert heute bereits jedes zweite deutsche Unternehmen ab 200 Mitarbeitern erste Projekte unter dem Label "UC" oder plant dies für die nächsten zwei Jahre.

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Allerdings befinden sich die UC-Konzepte vieler Unternehmen noch in den Kinderschuhen. Denn bei genauerer Betrachtung der Studienergebnisse zeigt sich, dass UC von der Masse der Anwender bislang eher als "bessere Groupware" genutzt und verstanden wird. Das heißt: Die meisten Anwender setzen derzeit auf Standard-UC-Applikationen, die verschiedene Kommunikationskanäle über eine Plattform bündeln und auf dieser Basis Funktionalitäten wie Presence anbieten. Doch nur eine Minderheit integriert diese Funktionalitäten auch mit IT-Anwendungen zur Unterstützung von Geschäftsprozessen. Die eigentlichen Potenziale von UC werden so nicht ausgeschöpft.

Sicher lässt sich allein schon durch die Bündelung verschiedener Kommunikationskanäle die Kommunikationseffizienz steigern. So spart ein Mitarbeiter zwar Zeit, wenn er im Rahmen einer Anfrage sofort sieht, ob und über welchen Kanal ein Gesprächspartner gerade erreichbar ist und diesen auch aus der Anwendung direkt anwählen kann. Allerdings ist fraglich, ob gerade in Zeiten knapper Kassen eine allgemeine Erhöhung der Kommunikationseffizienz das vordringlichste Problem der Unternehmen ist. Wenn jeder Euro zweimal umgedreht wird, sind stichhaltige Argumente notwendig, um Investitionen zu begründen. Ein ROI, der allein auf einer allgemeinen Verbesserung der Kommunikation ohne direkten Business Impact basiert, lässt sich schwer quantifizieren und ist meist auch wenig überzeugend.

Um die Potenziale von UC auszuschöpfen und überzeugende Business Cases zu entwickeln, muss die Businessintegration stärker in den Fokus der UC-Projekte rücken – und von den Anbietern auch adressiert werden. Eine Integration von UC-Funktionalitäten mit ERP-, CRM-, SCM- oder Produktionssystemen ist insbesondere bei mehrstufigen und zeitkritischen Geschäftsprozessen angezeigt, bei denen verschiedene Personen involviert sind, von deren Entscheidungen der weitere Prozessverlauf abhängt. Durch intelligente Einbindung von UC-Funktionalitäten wie "Presence", Kalenderintegration oder "Find me follow me" können Fehler und Verzögerungen im Kommunikationsfluss vermieden und der Gesamtprozess beschleunigt werden. Dies bringt signifikante und auch messbare Vorteile.

Typische Szenarien für UC-Businesslösungen findet man heute vor allem im Bereich Customer Interaction. Durch intelligente Routing-Technologien, die mit CRM-Datenbanken integriert sind, können z.B. eingehende Anrufe von Kunden oder Partnern zielgenau und entsprechend der Verfügbarkeit an den geeigneten Ansprechpartner weitergeleitet werden. Dabei geht es nicht nur um die Unterstützung herkömmlicher Callcenter. Vielmehr bieten UC-Businesslösungen hier die Chance, das gesamte Unternehmen als virtuelles Contact Center aufzubauen und so den Kundenservice sowie die damit verbundenen Prozesse spürbar zu verbessern.

In ähnlicher Weise lassen sich durch die intelligente Verknüpfung von UC- und Geschäftsanwendungen ganze Workflows steuern. Man spricht hier auch von Business Process Routing. Dabei braucht es nicht viel Fantasie, um Einsatzszenarien für die UC-Businessintegration zu finden. Ob beim Einkauf, bei der Ressourceneinsatzplanung oder bei der Überwachung von Systemen und Anlagen – in all diesen Prozessen sind mehrere Personen involiviert, die gefunden, erreicht und informiert werden müssen – und von deren Entscheidungen wiederum der weitere Prozessablauf abhängt. Somit hängt die Prozessqualität und -effizienz in hohem Maße davon ab, ob die richtige Person gefunden und über den passenden Kommunikationskanal angesteuert wird. Die Integration von UC-Technologien ermöglicht hier nicht nur spür- und messbare Prozessverbesserungen. Sie wirkt sich zudem direkt auf das Business aus, indem Fehlerquellen im Prozessablauf beseitigt, Sicherheits- und Compliance-Anforderungen erfüllt und der Kundenservice erhöht werden.

ITK-Verantwortliche, die eine Umsetzung von UC erwägen, sollten – in Zusammenarbeit mit dem Business – solche Szenarien frühzeitig identifizieren. Auf dieser Basis lassen sich Business Cases für den UC-Einsatz erstellen und die Anforderungen an die einzusetzende UC-Lösung und den Integrationspartner zielgenau definieren. UC bedeutet eben nicht, alle möglichen State-of-the-art-Technologien in einer Plattform zu vereinen. Viel wichtiger ist es, Businessanwendungen mit geeigneten Kommunikationstechnologien intelligent zu verknüpfen – und dies abhängig von unternehmensindividuellen Erfordernissen.

Technologieanbieter können mit UC-Businesslösungen den Markt nachhaltig entwickeln und den Einsatz von UC-Technologien forcieren. Um diese Chance wahrzunehmen, müssen jedoch die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Umsetzung von UC-Businesslösungen geschaffen werden. Aus technischer Sicht sind offene Schnittstellen und Standards erforderlich, die eine Integration mit Businessanwendungen erleichtern und den flexiblen Einsatz von UC-Lösungen erhöhen. Darüber hinaus müssen Integrationspartner qualifiziert bzw. Partnerschaften ausgebaut und neu gestaltet werden. Denn mit der UC-Businessintegration entsteht ein neues Geschäftsfeld für "echte" ITK-Dienstleister – also für Beratungen und Integratoren, die sowohl TK als auch IT beherrschen und darüber hinaus ein hohes Maß an Prozesswissen mitbringen.

Schließlich erfordert die Erschließung dieses Geschäftsfeldes auch eine Neuausrichtung von Marketing und Vertrieb. ROI-Kalkulatoren, welche die Zeitersparnisse von Wissensarbeitern aufsummieren, werden kaum den Absatz von UC-Businesslösungen forcieren. Vielmehr muss der konkrete Businessnutzen der Lösungen herausgestellt und durch konkrete Umsetzungsbeispiele in der Praxis illustriert werden.

Dr. Andreas Stiehler, Director Research, Berlecon Research

 

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