Prozessdokumentation: Versteckte Chancen|Analyse der Woche

StepsIn sechs Schritten zu besseren Arbeitsprozessen in Unternehmen. Über Wochen hatten Mitarbeiter die Arbeitsabläufe im Vertrieb ihres Unternehmens erforscht.

Das „Erhebungsteam“, wie sich die Gruppe nannte, zeichnete jeden Arbeitsschritt auf. Es hielt exakt fest, welcher Kollege welche Aufgabe erledigt und welche Zwischenergebnisse er in andere Abteilungen weitergibt. „Diese Prozessdokumentation brauchen wir für die Zertifizierung unseres Betriebs“, erklärte der Teamleiter. Doch nachdem das Unternehmen die Siegel der Zertifizierung bekommen hatte, verschwand die zwei Aktenordner füllende Dokumentation im Archiv. Eine verschenkte Chance, wie die Arbeitsgruppe bedauerte! „Wir haben viele Ideen, wie unser Unternehmen effizienter und zielgerichteter arbeiten könnte“, sagte der Leiter.

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Viele Unternehmen müssen beispielsweise für ISO-Zertifizierungen ihre Arbeitsabläufe dokumentieren. Nur wenige ergreifen die Gelegenheit, dabei auch Abläufe zu verändern. „Die Dokumentationen lassen sich gut nutzen, in einem nächsten Schritt Prozesse zu verbessern“, erklärt Michael Popp, verantwortlich für Prozessmanagement bei der Unternehmensberatung „next level consulting“. Solche Optimierungen helfen schneller zu arbeiten, Fehler zu vermeiden, Geld zu sparen oder Kunden mehr Service zu bieten.

Beispiel Angebotserstellung im Vertrieb: Das Erhebungsteam schlug seinem Unternehmen vor, dass die Vertriebsmitarbeiter sich mit den Technikern aus der Konstruktionsabteilung kurzschließen. Diese Abstimmung macht die Kalkulationen zu Lieferzeit und Kosten sicherer. 

Fachleute wissen: Messungen bieten einen guten Einstieg in solche Prozessveränderungen. Gemeint ist: Die Arbeitsabläufe werden nicht nur beschrieben, sondern auch anhand von Messungen überprüft. „So kann man schnell feststellen, ob die Abläufe auch wirklich das erbringen, was Unternehmen und Kunden von ihnen erwarten“, erklärt Michael Popp. 

Er empfiehlt ein Sechs-Punkte-Programm, um aus der Prozessdokumentation den optimalen Nutzen zu ziehen.

Erstens: Ziel und Zweck des Prozesses ermitteln

Viele Unternehmen beschreiben allein ihre Arbeitsabläufe. Welches Ziel diese Prozesse haben, wem sie auf welche Weise nutzen – dies betrachten sie nicht. „Jeder Ablauf hat einen Kunden, etwa einen internen Mitarbeiter, dem zugearbeitet wird“, sagt Michael Popp. Er empfiehlt, diesen „Nutznießer“ nach seiner Zufriedenheit mit dem Ablauf zu fragen. Weiterer Ansprechpartner ist der sogenannte Prozesseigner, häufig Manager wie Abteilungsleiter oder Geschäftsführer. „Der Prozesseigner ist im Unternehmen strategisch verantwortlich für einen Arbeitsablauf“, erklärt der Fachmann, „er gibt Ziel und Zweck des Ablaufs vor und entscheidet über Veränderungen.“ Diese Informationen werden mit der reinen Beschreibung des Ablaufs zum aktuellen Standard erhoben. Wichtig dabei: Nicht den Wunsch mit der Wirklichkeit verwechseln! Also den Prozess so festhalten, wie er abläuft –und nicht, wie er idealerweise gestaltet sein sollte.

Zweitens: Messkriterien festlegen

Wer einen Prozess messen und überprüfen will, braucht dafür stichhaltige Kriterien. Einfache Kennzahlen wie Durchlaufzeit und Stundenaufwand sind recht einfach zu ermitteln – zeigen aber nicht immer, ob der Prozess seinen Zweck erfüllt und Kunden zufriedenstellt. Fachleute empfehlen deshalb, auch Messkriterien zur wie beispielsweise für Qualität festzulegen. Beispiel Angebotserstellung im Vertrieb: Wie häufig fragen Kunden technische Details nach, die in den Angebotsunterlagen fehlen? Die Häufigkeit der Messungen muss dabei fein austariert sein. Bei nur zwei oder drei Stichprobenmessungen pro Periode können „statistische Ausreißer“ das Ergebnis verzerren. Dagegen sind zu häufige Messungen praktisch nicht zu bewältigen oder nicht wirtschaftlich. Erfahrene Prozessmanager versuchen die Zahlen auch über das IT-System ihres Unternehmens zu ermitteln. „Häufig reichen geringfügige Ergänzungen im System, um die Daten automatisiert zu erhalten“, sagt Michael Popp. 

Drittens: Den Prozess beurteilen

Das Prozessmanagement-Team interpretiert die gewonnenen Daten. Ist der Ablauf effizient? Kommen die Mitarbeiter in angemessener Zeit zu Ergebnissen? Sind die Kunden zufrieden, wird Kollegen optimal zugearbeitet? Bei auffälligen Messwerten sollten Projektmanager in jedem Fall die Hintergründe klären. War die Abteilung beispielsweise wegen erkrankter Mitarbeiter unterbesetzt – und konnte sie deshalb keine Leistung bringen? Gab es Probleme mit Vorarbeiten aus anderen Bereichen des Unternehmens? Denn Effizienz, Fehlerfreiheit und Durchlaufzeit kennzeichnen nicht immer einen guten Prozess. Beim Beurteilen zählen auch die Vorteile und Nutzen, die der Arbeitsablauf dem Kunden bringt. Es kann sich beispielsweise lohnen, die Abläufe für die Angebotserstellung mit zusätzlichen Abstimmungsrunden zu ergänzen. Dies mag zusätzlich Zeit und Geld kosten. Gründlich aufbereiteten Angebotsunterlagen jedoch führen unter dem Strich zu mehr Aufträgen.

Viertens: Das „Go!“ für Veränderungen einholen

Seine Analysen bereitet das Team übersichtlich auf. Auch kleinere Verbesserungsvorschläge können in die Unterlagen einfließen. „Anhand dieser Informationen wird der Arbeitsablauf mit dem verantwortlichen Prozesseigner erörtert“, erklärt Michael Popp. Ob und wie der Ablauf nachjustiert wird – dies entscheidet nun der Eigner. Profi-Tipp für die Präsentation vor dem Management: Prozessmanager sollten ihre Bestandsaufnahme, Analyse und Vorschläge nicht mit Informationen überfrachten. Also Prozesse für die Präsentation nicht zu detailliert zergliedern oder darstellen; häufig reichen die für Entscheidungen wirklich bedeutsamen Analysen und die Stoßrichtung des Nachjustierens. Auch lohnt es sich die Wirtschaftlichkeit des Nachjustierens zu prüfen. Wie zahlen sich die vorgeschlagenen Veränderungen der Abläufe in Euro und Cent für das Unternehmen aus? 

Fünftens: Den Arbeitsablauf verbessern

Prozessmanagement-Profis folgen der Politik der kleinen Schritte. Sie verbessern Abläufe behutsam. Mit zunächst geringfügigen Anpassungen versuchen sie die Arbeitsabläufe sicherer zu machen und nachzujustieren. „Erst danach sollte über nötige größere Veränderungen diskutiert werden“, warnt Michael Popp vor zu schnellen Eingriffen. Sollten diese Eingriffe dann doch nötig werden: Profis analysieren die Vorgänge nochmals gründlich, setzen gemeinsam mit dem Prozesseigner Prioritäten und legen fest, welche Ablaufdetails vorrangig zu optimieren sind. 

Sechstens: Den Arbeitsablauf im Auge behalten

Prozessmanager sollten es vermeiden, zu schnell den Effekt ihrer Veränderungen nachzumessen. Besonders bei größeren Eingriffen sollten sie den „frisch operierten“ Prozess weiter beobachten. Vor allem: Profis geben einem neuen Prozess zunächst einmal Zeit sich zu bewähren. Sie hüten sich vor hektischen Korrekturen, wenn der Ablauf zunächst noch etwas “ruckelt“. Sie beobachten den Arbeitsablauf und warten ab, bis er bei den Mitarbeitern „in Fleisch und Blut“ übergegangen ist. Erst dann messen sie nach, ob der Prozess „rundläuft“ – oder ob nochmals eine Nachjustierung ansteht. 

www.nextlevelconsulting.eu

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